Deutsche Chemie- und Pharmaindustrie ist bei Griechenland gelassen

01.07.2015 - Deutschland

(dpa-AFX) Die Eskalation der Griechenland-Krise wird die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie nicht aus der Bahn werfen. Griechenland spiele als Auslandsmarkt für die deutsche Chemie wirtschaftlich "eine untergeordnete Rolle", sagte ein Sprecher des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) am Montag auf Anfrage. Auch in den Konzernzentralen sorgen die jüngsten Nachrichten nicht für hektische Betriebsamkeit. Für die meisten Unternehmen gehört das in einer tiefen Krise steckende Land nicht zu den wichtigen Exportmärkten. Von den deutschen Pharmaherstellern ist nur Boehringer Ingelheim auch mit einem eigenen Werk in Griechenland vertreten.

"Aus meiner Sicht wird das jetzt zwar für Turbulenzen sorgen, aber Europa wird fortbestehen", sagte etwa Merck KGaA-Chef Karl-Ludwig Kley dem Fernsehsender Bloomberg-TV mit Blick auf die Eskalation der griechischen Schuldenkrise. "Das ist nichts, was mich langfristig beschäftigt." Er habe sich in den vergangenen Monaten gewundert, wie viel Zeit Europa mit dem Thema verbringe. "Wir haben die in solchen Situationen üblichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Aber es ist nichts, was mich in dem Maße besorgt, in dem es - womöglich - die Finanzmärkte zur Zeit beunruhigt", sagte Kley. Laut Merck gibt es derzeit kein Programm, das für Lieferungen nach Griechenland Vorkasse vorsieht. Der Konzern erhalte die Versorgung mit Medikamenten aufrecht. Der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) wollte am Montag zunächst keine Stellungnahme zur Lage in Griechenland abgeben.

Im letzten Jahr gingen laut VCI chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von gut 1,3 Milliarden Euro aus Deutschland nach Griechenland und damit etwa so viel wie 2013 und 2012. Das entspreche 0,8 Prozent der Gesamtausfuhren der Branche. Bezogen auf die 28 EU-Mitgliedsstaaten liege Griechenland damit auf Platz 14 - hinter Irland und vor Portugal. Über die Hälfte der Ausfuhren der Branche nach Griechenland entfällt laut VCI auf Medikamente.

Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer hält die direkten Auswirkungen für begrenzt. Der Anteil Griechenlands am Konzernumsatz liege "im Promillebereich", sagte ein Sprecher. Der Konzern werde weiter Medikamente liefern. Auch ein Fresenius-Sprecher blieb gelassen: "Wir haben ein vergleichsweise geringes Griechenland-Geschäft." Es seien frühzeitig Vorkehrungen bezüglich einer möglichen Zahlungsunfähigkeit getroffen worden. So sei das Engagement bereits früher reduziert worden. Notwendige Medikamente würden aber weiterhin nach Griechenland geliefert. Fresenius produziert wie auch Bayer nicht selbst in Griechenland. Für den Arzneimittelhersteller Stada ist Griechenland schlicht "kein relevanter Markt".

Beim Gasehersteller Linde ist die Lage ähnlich: "Wir haben nur ein sehr kleines Griechenland-Geschäft. Der Umsatz liegt deutlich unter einem Prozent gemessen am Konzernumsatz", sagte ein Sprecher. Daher beeinflusse die Griechenland-Krise Linde kaum. Auch schon in der Vergangenheit sei das Engagement in dem Land gering gewesen. Auch beim weltgrößten Chemiekonzern BASF spielt Griechenland kaum eine Rolle. 2014 habe BASF dort unter anderem mit Pflanzenschutzmitteln gerade einmal gut 100 Millionen Euro umgesetzt, erklärte eine Sprecherin. Der Konzernumsatz hatte im vergangenen Jahr bei rund 74 Milliarden Euro gelegen. BASF unterhält keine eigenen Produktionsanlagen in Griechenland.

Im Gegensatz dazu ist der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim auch bei der Produktion in Griechenland direkt betroffen. Die dortige Landesgesellschaft ist laut dem Konzern mit Sitz in Ingelheim das einzige multinationale Pharmaunternehmen mit eigener Produktionsstätte vor Ort. Dort werden Medikamente auch für den Export in über 60 Länder in Osteuropa, auf den Balkan, nach Asien, Nordafrika und in den Nahen Osten produziert. An zwei Standorten in Griechenland arbeiten in Produktion und Verwaltung insgesamt 300 Mitarbeiter.

Das Geschäft im Land sei "stabil", sagte eine Sprecherin. Boehringer beobachte die Situation kontinuierlich. So solle sichergestellt werden, dass die Patienten ihre Medikamente erhielten, dass die Produktion ohne Unterbrechung weitergehe und dass die Beschäftigten und ihre Familien so wenig wie möglich von der Krise beeinträchtigt würden.

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