Ein Molekül-Transistor für die Quantenwelt
Paul-Drude-Institut
Transistoren als grundlegende Bauelemente für die Mikroelektronik werden immer kleiner. Das Ausgangsmaterial ist in der Regel ein Halbleiter. Mit zwei Elektroden (Source und Drain) lässt sich eine Spannung anlegen, so dass Strom im Halbleiter fließt, mit einer weiteren Steuerelektrode (Gate) lässt sich der Fluss der Elektronen beeinflussen. So kann man mit einem Transistor den Strom an- und abschalten sowie die Stärke regeln. Dabei fließen im Halbleiter Abermillionen von Elektronen, die sich als geladene Teilchen beschreiben lassen.
Eine ähnliche Transistorfunktion auf einer Größenskala von einigen zehn bis hundert Nanometern erhält man durch einen sogenannten Quantenpunkt. Dieser besteht aus hunderten bis tausenden Atomen, die in Form eines winzigen Halbleiter-Kristalls auf einem geeigneten Substrat abgeschieden werden. Bei einem solchen Transistor können die Elektronen nur noch diskrete Energieniveaus annehmen. Stromfluss kommt dann zum Beispiel dadurch zustande, dass ein einzelnes Elektron von der Source-Elektrode zum Halbleiter-Quantenpunkt springt, und von dort weiter zur Drain-Elektrode. Das nennt man Einzelelektronentunneln. Mit einer zusätzlichen Gate-Elektrode kann man das Niveau verschieben und beeinflusst damit die Wahrscheinlichkeit, dass Elektronen durch den Halbleiter hindurchkommen und somit die Stromrate. In diesen Dimensionen der Quantenphysik besitzen die Elektronen sowohl Teilchen- als auch Welleneigenschaften.
Allerdings sind herkömmliche Quantenpunkte nicht absolut identisch, da sie durch das Abscheiden der Atome auf einem Substrat mit den Unwägbarkeiten eines statistischen Wachstumsprozesses behaftet sind. Das Forscherteam wollte ein kleines System aufbauen, von dem ganz genau bekannt ist, wie es aussieht. Ihre Idee: Sie verwenden ein organisches Molekül als Quantenpunkt. Dieses ist chemisch genau definiert, und auch ein Molekül hat immer diskrete Zustände in Analogie zum Quantenpunkt. Das Knifflige an der Sache besteht darin, die Kontakte und die Steuerelektrode an ein 1,3 Nanometer großes Molekül anzubringen.
Es gibt schon verschiedene Techniken, wie etwa die Methode der Bruchkontakte. Dafür wird ein dünner Draht immer wieder sehr präzise an derselben Stelle gebogen, bis er bricht. Befindet sich der Draht in einer Flüssigkeit mit Molekülen, kann mit Glück genau ein Molekül die Bruchstelle überbrücken. Dafür sind allerdings sehr viele Versuche nötig, und man kann hinterher auch nicht mit atomarer Auflösung nachschauen, wie das Molekül auf den Kontakten sitzt.
Der Forschergruppe um Stefan Fölsch vom Paul-Drude-Institut ist es nun gelungen, einen Molekül-Transistor mit atomarer Präzision aufzubauen. Auf der Oberfläche eines Indium-Arsenid-Kristalls haben die Physiker ein organisches Phthalocyanin-Molekül abgeschieden. Mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops (STM), mit der man normalerweise die Oberfläche abtastet, um sie abzubilden, positionierten sie anschließend einzelne positiv geladene Indiumatome um das Molekül herum auf die Kristalloberfläche. Und schon war der Mini-Transistor fertig: Als Elektroden fungieren zum einen die Kristalloberfläche, zum anderen die STM-Spitze. Die Steuerspannung wird geregelt durch Verschieben der Indiumatome. Stefan Fölsch berichtet: „Wir wissen ganz genau, wie die Kontakte und die Gate-Elektrode angelagert sind, und wir können mit atomarer Präzision die Steuerspannung kontrollieren.“ Und die Physiker haben auch gleich ein neues Phänomen beobachtet, das beim Halbleiter-Quantenpunkt nicht auftritt: Das Molekül sitzt, anders als die Atome eines Quantenpunktes, nicht fest auf der Oberfläche, sondern es kann sich drehen. Der Ladungszustand und die Rotation beeinflussen sich gegenseitig, was zu einer neuartigen Strom-Spannungs-Charakteristik des Transistors führt.
Eine Bauanleitung für einen Molekültransistor zur Herstellung eines elektronischen Bauelements liefern die Forscher damit nicht. Erst einmal geht es darum, die grundlegenden physikalischen Prozesse zu verstehen, die eine Quantenelektronik basierend auf einzelnen Molekülen überhaupt erst ermöglichen.