Vulkanausbrüche bremsen Klimawandel

15.07.2015 - Deutschland

Obwohl die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre kontinuierlich ansteigt, ist die globale mittlere Bodentemperatur seit der Jahrtausendwende weit weniger stark angestiegen als erwartet. Eine Erklärung für diese „Pause in der Klimaerwärmung" liefert jetzt ein internationales Team, in dem auch Wissenschaftler des KIT mitarbeiten: Die Sonneneinstrahlung ist in den unteren Schichten der Stratosphäre zwischen 2008 und 2011 durch mehrere Vulkanausbrüche doppelt so stark abgeschwächt worden wie bisher angenommen. Seine Studie stellt das Team nun im Fachjournal Nature Communications vor.

Für die unterste Stratosphäre - die Höhenschicht zwischen 10 und 16 Kilometern - lagen lange kaum Daten vor; jetzt lieferte das internationale Klimaprojekt IAGOS-CARIBIC entscheidende Hinweise. Der kühlende Effekt von Vulkanen sei in den Modellen, auf denen der Bericht des Weltklimarats IPCC beruht, deutlich unterschätzt worden, so die Studie. Unter Federführung der Universität Lund in Schweden waren daran aus Deutschland das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz (MPI-C), das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig (TROPOS) und das Karlsruher Institute für Technologie (KIT) beteiligt. Da die vermehrten Vulkanausbrüche und damit dieser kühlende Effekt nur vorübergehend sind, wird sich die Klimaerwärmung wieder beschleunigen. Grund ist die immer stärker ansteigende Konzentration von Treibhausgasen, so die Wissenschaftler.

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist die Durchschnittstemperatur über den Kontinenten in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre nur gering angestiegen. Die neue Studie zeigt, dass der kühlende Effekt von Aerosolpartikeln in den letzten Jahren besonders stark ausgeprägt war. Die Untersuchung beruht auf Daten aus der Tropopausenregion, einem Bereich der Atmosphäre zwischen 8 und 17 Kilometern Höhe, der eine Übergangszone zwischen der feuchten Wetterschicht mit Wolken darunter (Troposphäre) und der trockenen, wolkenfreien Schicht darüber (Stratosphäre) bildet. „Insgesamt unterstreichen unsere Ergebnisse, dass auch kleinere Vulkanausbrüche viel wichtiger für das Klima der Erde sind, als bislang angenommen", fassen die beiden Koordinatoren des Forschungslabors CARIBIC Dr. Carl Brenninkmeijer vom MPI-C in Mainz und Dr. Andreas Zahn vom KIT zusammen. Das IAGOS-CARIBIC-Observatorium wurde bis Ende 2014 durch das MPI-C koordiniert und betrieben und seit 2015 durch das KIT.

Zum Erheben der aktuellen Daten kombinierte das Team zwei Methoden: Probenahme und Vor-Ort-Messungen aus der Tropopausenregion, mit den IAGOS-CARIBIC-Observatorium sowie Beobachtungen aus dem All durch den Satelliten CALIPSO. Das IAGOS-CARIBIC-Observatorium misst seit 1997 Spurengase und Aerosolpartikeln. Mit einem Messcontainer in einem dazu umgebauten Airbus A340-600 der Lufthansa werden vier Interkontinentalflüge pro Monat absolviert. Insgesamt werden so über 100 Spurengas- und Aerosolparameter gemessen, teils direkt in 9 bis 12 Kilometern Höhe, teils werden Proben nach dem Flug in verschiedenen Speziallaboren in Europa ausgewertet. Das TROPOS in Leipzig betreut die Messungen der Aerosolkonzentration, das KIT betreibt 5 der 15 Instrumente, darunter eins für Ozon. Die Partikelproben werden von der Universität Lund in Schweden, in einem Ionenstrahlbeschleuniger analysiert, um die Konzentration von partikelgebundenem Schwefel zu bestimmen. Setzt man diese Konzentration ins Verhältnis zur im Flug gemessenen Ozon-Spurengaskonzentration, ist dieses normalerweise relativ konstant. Bei Vulkanausbrüchen gelangt jedoch mehr Schwefel in die Atmosphäre, das Verhältnis verschiebt sich und zeigt so an, wie stark vulkanische Eruptionen die Tropopausenregion beeinflussen. „Das Verhältnis zwischen partikelgebundenen Schwefel und Ozon aus den CARIBIC-Messungen belegt deutlich den starken Einfluss von Vulkanen auf diese Luftschichten", berichten Dr. Sandra M. Andersson und Professor Bengt G. Martinsson von der Universität Lund, die die Studie geleitet haben.

Die zweite Messmethode basiert auf Satellitenbeobachtungen. Die CALIPSO-Mission, eine Zusammenarbeit zwischen NASA und dem Centre National d'Etude Spatiale (CNES) in Frankreich, ermöglichte Einblicke auf Aerosole und Wolken in der Atmosphäre. Zuvor wurden nur Daten von oberhalb von 15 Kilometern genutzt, wo vulkanische Partikel aus großen Eruptionen bekanntermaßen unser Klima über mehrere Monate beeinflussen können. Aerosolpartikel in der untersten Stratosphäre wurden nun ebenfalls in den Berechnungen der Strahlungsbilanz der Atmosphäre mit einbezogen, um auch die Auswirkungen kleinerer Vulkanausbrüche berücksichtigen zu können.

Nachdem es zwischen 1999 und 2002 keine größeren Vulkanausbrüche in der Nordhemisphäre gab, konnten zwischen 2005 und 2012 deutlich mehr Partikel beobachtet werden. Besonders drei Eruptionen stachen dabei heraus: Der Kasatochi (Alaska, 2008), der Sarytschew (Russland, 2009) und der Nabro (Eritrea, 2011) schleuderten Schätzungen zufolge jeweils weit über eine Megatonne Schwefeldioxid (SO2) in die Atmosphäre. „Praktisch alle Vulkaneruptionen, die die Stratosphäre erreichen, führen zu mehr Partikeln in dieser Schicht, da sie Schwefeldioxid mitbringen, aus dem sich Sulfatpartikel bilden", erläutert Dr. Markus Hermann vom TROPOS, der die Vor-Ort-Partikelmessungen im CARIBIC-Projekt betreut.

Ob ein Vulkanausbruch globale Auswirkungen auf das Klima hat, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Dazu gehört die ausgestoßene Menge an SO2 sowie die maximale Höhe, die die Eruption erreicht. Aber auch der Breitengrad des Ausbruchs spielt eine wichtige Rolle: Da die Strömungen in der oberen Atmosphäre auf der Nordhalbkugel weitgehend getrennt von denen auf der Südhalbkugel ablaufen, können nur Vulkane in Nähe des Äquators ihr Material effektiv über beide Hemisphären verteilen. So geschehen beim Ausbruch des Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa vor 200 Jahren, der zu einer so starken globalen Abkühlung führte, dass 1816 als „Jahr ohne Sommer" galt mit Missernten und Hungersnöten. Auch der Krakatau 1883 in Indonesien oder der Pinatubo 1991 auf den Philippinen sorgten für spürbare Abkühlungen. „Unsere Studie deutet nun darauf hin, dass der kühlende Effekt von Vulkanausbrüchen in der Vergangenheit unterschätzt wurde, da der unterste Teil der Stratosphäre in diesen Berechnungen fehlte", erklärt Dr. Sandra M. Andersson.

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