Tattoos: Auch der Abschied ist nicht ohne Risiko
BfR weist erstmals Blausäure nach Laserbestrahlung eines Tätowierungspigments nach
Nicht länger erwünschte Tätowierungen werden oft durch Laserbehandlungen entfernt. Das Risiko der Fragmentierung von Pigmenten in toxische oder krebserregende Bestandteile nach der Entfernung von Tätowierungen wird derzeit wissenschaftlich erforscht. Die Art der möglichen chemischen Abbauprodukte und ihre Langzeitwirkungen nach Freisetzung und systemischer Verteilung im menschlichen Körper sind dabei größtenteils unklar. Bislang sind Daten zum laserbedingten Abbau von in Tätowierungsmitteln verwendeten Pigmenten nur für einige Azofarbstoffen verfügbar. Daten zum Zerfall von eher lichtbeständigen Molekülen wie beispielsweise Phthalocyaninen fehlten. So gab es zu Kupfer-Phthalocyanin – offenbar derzeit das einzige in Tätowierungen verwendete und auf dem europäischen Markt erhältliche blaue organische Pigment – bisher keine Daten zu dessen Sicherheit als Tätowierungsmittel oder über dessen Zerfallsverhalten.
In der klinischen Dermatologie werden unter anderem Rubinlaser häufig für die Entfernung blauer Tätowierungen verwendet. Hierbei erfolgt wellenlängenspezifisch eine hitzebedingte Spaltung des Pigments. In der BfR-Studie wurde der laserinduzierte und temperaturabhängige Abbau des Blaupigments Kupfer Phthalocyanin simuliert. Alle flüchtigen Abbauprodukte wurden mittels gaschromatographischer (GC) Trennung und anschließender massenspektrometrischer (MS) Analyse bestimmt. Da Analysen mittels Pyrolyse-GC/MS (Py-GC/MS) weitere Hinweise auf das Vorhandensein flüchtiger und hochgiftiger Verbindungen wie Blausäure (HCN) und Benzol lieferten, hat das BfR eine dynamische Headspace (DHS)-Methode entwickelt, um dadurch jeglichen Verlust solcher Verbindungen während der Aufbereitung und Analyse auszuschließen. Unter Anwendung der DHS–GC/MS in Kombination mit zweidimensionaler Gaschromatographie, gekoppelt an Flugzeitmassenspektrometrie (GCxGC—ToF-MS), ist es gelungen, die erwarteten Verbindungen sehr empfindlich und spezifisch nachzuweisen.
Unter all den Verbindungen, die durch Rubinlaserbestrahlung von Kupfer-Phthalocyanin entstehen, ist Blausäure (HCN) aufgrund ihrer starken Zytotoxizität von besonderer Bedeutung. Überträgt man die vom BfR nachgewiesenen Mengen an HCN auf die Situation im menschlichen Körper, so könnten in bestimmten Gewebsschichten durch Laserbehandlung HCN-Konzentrationen von bis zu 30 µg/ml entstehen. Obwohl die orale Einnahme und das Einatmen die häufigsten Arten der Cyanidvergiftung darstellen, sind auch immer wieder Fälle gesundheitlicher Beeinträchtigungen nach Aufnahme über die Haut beschrieben worden. So ist anzunehmen, dass lokale Pigmentkonzentrationen von ca. 30 μg/ml HCN, die in gut durchbluteten Gewebeschichten auftreten können, ein mögliches gesundheitliches Risiko darstellen, insbesondere dann, wenn extrem große Tätowierungen bestrahlt werden (z.B. Oberarm > 500 cm²).
Während die Entfernung mittels Laser zu toxischen Spaltprodukten führen kann, steht bei der chirurgischen Entfernung des entsprechenden Hautareals die Infektionsgefahr im Vordergrund. Dem BfR wurden beispielsweise einzelne Fälle gemeldet, in denen nach der Anwendung flüssiger Tattoo-Entferner unerwünschte Wirkungen aufgetreten sind. In einigen Fällen kam es zu schweren Entzündungsreaktionen der Haut mit Narbenbildung.
Originalveröffentlichung
Ines Schreiver, Christoph Hutzler, Peter Laux, Hans-Peter Berlien & Andreas Luch, "Formation of highly toxic hydrogen cyanide upon ruby laser irradiation of the tattoo pigment phthalocyanine blue", Scientific Reports, 2015
Laux P, Tralau T, Tentschert J, Blume A, Dahouk SA, Bäumler W, Bernstein E, Bocca B, Alimonti A, Colebrook H, de Cuyper C, Dähne L, Hauri U, Howard PC, Janssen P, Katz L, Klitzman B12, Kluger N, Krutak L, Platzek T, Scott-Lang V, Serup J, Teubner W, Schreiver I, Wilkniß E, Luch A, "A medical-toxicological view of tattooing", Lancet, 2015