Plätzchen aus Kohle?
ThyssenKrupp und TU Berlin entwickeln neues Verfahren zur umweltschonenden Verwertung von Prozessgasen
ThyssenKrupp Industrial Solutions AG
Bahnbrechende Technologie wandelt Prozessgas in verwertbare Stoffe um
„Kokereien gibt es auf der ganzen Welt. Wir wollen mit dem neu entwickelten Verfahren den Betreibern die Chance bieten, ihre Prozessgase sinnvoll weiterzuverwenden und die Produktivität ihrer Anlagen zu steigern“, erläutert Dr. Holger Thielert, Head of Gas Treatment Plant Department von ThyssenKrupp Industrial Solutions: „Hierfür haben wir ein Verfahren entwickelt und patentiert, das Koksofengase ressourcenschonend in verwertbare Stoffe umwandelt. Dieses Verfahren können wir weltweit vermarkten oder auch in bestehenden Anlagen installieren.“
Am Anfang des neuen Verfahrens steht die Produktion von Koks, neben Eisenerz der Haupteinsatzstoff zur Herstellung von Roheisen im Hochofen. „Dabei wird in der Kokerei Kohle unter hohen Temperaturen ‚gebacken‘. Die in diesem Prozess entstehenden heißen Gase führen eine Reihe von Stoffen mit sich. In der Versuchsanlage wird nun in ein einem komplexen Verfahren das Koksofengas gewaschen. Unter Beigabe von Kohlenstoffdioxid entsteht Ammoniumbikarbonat – umgangssprachlich Hirschhornsalz“, erklärt Dr. Thielert. Die entstehenden Endprodukte sind vielfältig einsetzbar: als Stickstoffdünger, als Treib- und Schäumungsmittel für Kunststoffe oder poröse Keramiken und letztlich auch in der Nahrungsmittelindustrie.
Auf dem Weg zum Einsatz im Großmaßstab
Nach erfolgreichen Testläufen unter Laborbedingungen wurden zwei Forscher der Technischen Universität Berlin mit dem Bau der Pilotanlage in Duisburg beauftragt. „Die entscheidenden Versuche können nur unter realen Bedingungen stattfinden“, erläutert Sebastian Riethof, Wissenschaftler von der TU Berlin. Für die Testphase bietet die Kokerei Schwelgern als Teil des integrierten Hüttenwerks von ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg optimale Bedingungen. „Läuft hier auf der Kokerei alles wie geplant, kann das neue Verfahren auch im Großmaßstab angewendet werden“. Die ersten Ergebnisse waren vielversprechend: „95 Prozent des im Koksofengases enthaltenen Ammoniaks können genutzt werden. Aus 15 Kubikmetern Koksofengas und zwei Kubikmetern Kohlenstoffdioxid entstehen so pro Stunde 15 Kilogramm Feststoffe“, erläutert Riethof die Effizienz der Anlage. Die Chemieprodukte können so zu marktfähigen Kosten hergestellt werden.
Pilotanlage verringert umweltschonend CO2-Emissionen
Laufen die Tests weiter erfolgreich, wäre dies ein echter Durchbruch in Sachen Produktivität und Ressourceneffizienz – auch für die Kokerei Schwelgern: „Schon jetzt werden hier in Duisburg nahezu alle anfallenden Prozessgase möglichst effizient verwertet“, erklärt KBS-Geschäftsführer Peter Liszio. „Gelingt es uns jetzt noch langfristig, sowohl aus den Koksofengasen am Markt absetzbare Produkte für andere Industriezweige herzustellen und zugleich den CO2-Ausstoß des Hüttenwerks zu senken, wäre das ein echter Mehrwert, der auch der Umwelt zugutekommt.“ Deshalb könnten Idee und Anlagentyp bei positivem Fortschritt künftig auch weltweit zum Einsatz kommen.
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