Crack it: Fossile Energie ohne Klimagase
IASS und KIT entwickeln Technologie zur Erzeugung von Wasserstoff aus Methan ohne Kohlendioxid-Emissionen
Geissler/Stoppel, KIT
Die Verbrennung von fossilen Brennstoffen für die Erzeugung von Strom, für den Antrieb von Automotoren oder die Erzeugung von Wärme ist eine wesentliche Quelle klimaschädlicher Kohlendioxid-Emissionen. Insbesondere Methan, das ein Hauptbestandteil von Erdgas ist, ist ein breit eingesetzter fossiler Brennstoff. Prognosen gehen davon aus, dass die weltweite Produktion in den nächsten Jahrzehnten stark ansteigen wird. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen würde die fortgesetzte Nutzung umweltschädlicher konventioneller fossiler Brennstofftechnologien die Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels stark behindern. Aus diesem Grund haben Wissenschaftler des IASS und des KIT nun einen alternativen und nachhaltigeren Ansatz untersucht: die Nutzung des Energiegehalts von Methan in Form von Wasserstoff ohne gleichzeitige Bildung von Kohlendioxid.
Anstelle der direkten Verbrennung von Methan (CH4) lassen sich seine molekularen Komponenten, Wasserstoff (H2) und Kohlenstoff (C) beim sogenannten „Cracken“, auftrennen. Diese Reaktion erfolgt bei Temperaturen deutlich über 750 Grad Celsius, schädliche Emissionen entstehen nicht.
Das erste Produkt, Wasserstoff, ist ein Energieträger, der für seine saubere Verbrennung und hohe Energiedichte je Masseeinheit bekannt ist. Tatsächlich wird Wasserstoff von vielen als wichtige Komponente eines zukünftigen nachhaltigen Energiesystems gesehen. Geplante Anwendungen umfassen Brennstoffzellen, die Erzeugung von Strom sowie wasserstoffgetriebene Fahrzeuge. Abgesehen von diesen zukünftigen Anwendungen ist Wasserstoff bereits heute ein wichtiger industrieller Rohstoff, der in großen Mengen zur Produktion von Ammoniak – einer wichtigen Vorläufersubstanz in der Düngemittelindustrie - eingesetzt wird. Weltweit geschieht die Wasserstoffproduktion jedoch immer noch größtenteils mit Hilfe konventioneller Technologien, wie etwa der Dampf-Methan-Reformierung, wofür Erdgas als Ausgangsmaterial benötigt wird. Dabei werden beträchtliche Mengen an Kohlendioxid freigesetzt. Kohlendioxid-Emissionen der Ammoniakindustrie allein belaufen sich gegenwärtig auf etwa 200 Millionen Tonnen pro Jahr. Zum Vergleich: Die Kohlendioxid-Emissionen der gesamten Bundesrepublik Deutschland betragen insgesamt etwa 800 Millionen Tonnen pro Jahr.
Neben dem Hauptprodukt des Methan-Crackens, dem Wasserstoff, entsteht als Nebenprodukt fester schwarzer elementarer Kohlenstoff, dessen Bedeutung als industrieller Rohstoff stetig zunimmt. So wird er beispielsweise in großen Mengen in der Produktion von Stahl, Kohlenstofffasern und vielen kohlenstoffbasierten Strukturen und Materialien eingesetzt. Der durch den neuartigen Cracking-Prozess entstehende Kohlenstoff verfügt über eine hohe Qualität und Reinheit und hat die Form eines Pulvers. Sein Wert als vermarktungsfähiges Produkt trägt zusätzlich zur wirtschaftlichen Machbarkeit des Methan-Crackens bei. Alternativ könnte der Kohlenstoff gelagert werden, was sehr viel leichter, sicherer und auch kostengünstiger zu bewerkstelligen wäre als etwa die Speicherung von Kohlendioxid.
Das Cracken von Methan ist keine neue Idee. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden an verschiedenen Einrichtungen zahlreiche Versuche durchgeführt, die seine technische Machbarkeit unter Beweis stellten. Allerdings kam es immer wieder zu Verstopfungen der Anlagen, die Umwandlungsrate blieb entsprechend gering.
Basierend auf den bisher gesammelten Erkenntnissen sind IASS und KIT nun einen Schritt weiter gegangen. Ausgangspunkt war ein von Carlo Rubbia vorgeschlagener und auf Flüssigmetalltechnologie basierender neuer Reaktor. Bei diesem werden kleine Methanbläschen von unten in eine mit geschmolzenem Zinn gefüllte Säule gegeben. Während ihres Aufsteigens im flüssigen Metall findet die Cracking-Reaktion statt. Der Kohlenstoff wird an der Bläschenoberfläche abgeschieden und beim Zerfallen der Bläschen am oberen Ende des Reaktors als Pulver abgesetzt. Zwischen Ende 2012 und Frühjahr 2015 wurden in der KIT-Anlage KALLA (KArlsruhe Liquid Metal LAboratory = Karlsruher Flüssigmetalllabor) mehrere Versuchsreihen gefahren. Dabei wurden verschiedene Parametereinstellungen und Optionen etwa für die Temperatur, Konstruktionswerkstoffe oder Verweilzeit untersucht. Das Ergebnis war eine 1,2 Meter hohe Vorrichtung aus Quarz und Edelstahl, in der sowohl reines Zinn als auch eine Mischung aus Zinn und Quarzfüllkörpern zum Einsatz kommen kann.
„Während der zuletzt durchgeführten Versuche lief unser Reaktor ohne Unterbrechung über einen Zeitraum von zwei Wochen. Er erzeugte Wasserstoff mit einer Umwandlungsrate von bis zu 78 Prozent bei Temperaturen von 1200 Grad Celsius. Dieser kontinuierliche Betrieb ist entscheidend für einen zukünftigen industriell einsetzbaren Reaktor“, betont Professor Thomas Wetzel, Leiter des KALLA-Labors am KIT. Der Reaktor ist korrosionsbeständig, Verstopfungen treten nicht auf, da das entstehende mikrogranulare Kohlenstoffpulver leicht abgetrennt werden kann. Der Reaktor verfügt damit über die technischen Voraussetzungen, die für den späteren Betrieb eines industriellen Reaktors erforderlich wären.
Die im Labormaßstab durchgeführten Versuche ermöglichen es nun abzuschätzen, wie sich das Cracken von Methan in ein zukünftiges Energiesystem integrieren ließe und somit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten könnte. Zu diesem Zweck arbeitet das IASS nun auch mit der RWTH Aachen zusammen. Gegenstand dieser Kooperation ist die Lebenszyklusanalyse (LCA) einer hypothetischen kommerziellen Anlage auf der Basis des nun erprobten Verfahrens. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Teil des produzierten Wasserstoffs zur Erzeugung der erforderlichen Prozesswärme verwendet wird. Im Rahmen der Lebenszyklusanalyse wurde das Cracken mit den Verfahren der Dampf-Methan-Reformierung (SMR) und der Wasserelektrolyse mit erneuerbarem Strom verglichen. Hinsichtlich der Emission von Kohlendioxid-Äquivalenten pro Einheit Wasserstoff zeigte sich, dass das Cracken von Methan mit der Wasserelektrolyse vergleichbar und über 50 Prozent sauberer als das SMR-Verfahren ist.
Die Forscher des IASS haben außerdem wirtschaftliche Aspekte des Crackens von Methan untersucht. Die Kostenschätzungen unterliegen derzeit noch sehr großen Unsicherheiten, da das Verfahren noch nicht ausgereift ist. Vorläufige Berechnungen zeigen, dass bei den gegenwärtigen Erdgaspreisen in Deutschland Kosten in Höhe von 1,9 – 3,3 Euro pro Kilogramm Wasserstoff entstehen würden, wobei der mögliche Marktwert des Kohlenstoffs noch nicht berücksichtigt wird.
„Unsere Versuchsergebnisse und alle ökologischen und wirtschaftlichen Analysen zeigen, dass das Cracken von Methan eine mögliche Option für den Umbau unseres Energiesystems ist“, sagt Professor Carlo Rubbia. „Das Verfahren könnte die Rolle einer Brückentechnologie übernehmen. Mit ihr ließe sich das Energiepotenzial von Erdgas nutzen. Gleichzeitig würde das Klima geschützt und die Einbindung eines sauberen Energieträgers wie Wasserstoff in unser Energiesystem erleichtert.“
KIT und IASS wollen nun die Reaktorauslegung und insbesondere den Prozess zur Kohlenstoffausschleusung optimieren und allmählich hochskalieren, um die Leistung zu erhöhen.