Quantencomputer aus gängigen Halbleitermaterialien
Magnetfeld hilft Qubit-Elektronen, Informationen länger zu speichern
Fabian Flassig / TUM
Quantenbits, kurz Qubits, sind die Grundelemente der „Quanten-Informationstechnologie“ (QIT), die möglicherweise die Zukunft der Computer darstellt. Weil er Probleme quantenmechanisch verarbeitet, könnte ein solcher Quantencomputer einmal komplexe Probleme mit weit höherer Geschwindigkeit lösen als heutige, so die Hoffnung.
Prinzipiell gibt es verschiedene Möglichkeiten, solche Qubits zu realisieren: Photonen kommen hier ebenso in Frage wie gefangene Ionen oder Atome, deren Zustand jeweils gezielt mit Hilfe eines Lasers verändert werden kann. Die Kernfrage für eine mögliche Anwendung als Speicherbaustein ist, wie lange sich Informationen in einem System sichern lassen und welche Mechanismen zum Verlust einer gespeicherten Information führen.
Physiker um Alexander Bechtold und Professor Jonathan Finley vom Walter-Schottky-Institut der Technischen Universität München und des Exzellenzclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM) haben nun ein aus einem einzelnen Elektron bestehendes System vorgestellt, welches in einer Halbleiter-Nanostruktur gefangen ist. Informationsträger ist hierbei der Elektronenspin.
Die Forscher konnten einerseits verschiedene Verlustmechanismen erstmals exakt nachweisen und andererseits zeigen, dass sich die gespeicherte Information mit Hilfe eines starken, äußeren Magnetfelds dennoch erhalten lässt.
Elektron gefangen im Quanten-Dot
Die TUM-Physiker bedampften für ihre Nanostruktur ein Substrat aus Gallium-Arsenid mit Indium-Gallium-Arsenid. Aufgrund der unterschiedlichen Gitterabstände beider Halbleitermaterialien entsteht am Übergang eine Verspannung im Kristallgitter. Das System bildet daher in regelmäßigen Abständen wenige Nanometer große „Hügel“, sogenannte Quanten-Dots.
Kühlt man die Quantenpunkte auf die Temperatur flüssigen Heliums und regt sie optisch an, ist es möglich, ein einzelnes Elektron gezielt in diesen Quanten-Dots gefangen zu halten. Die Spin-Zustände des Elektrons lassen sich dabei als Informationsspeicher nutzen. Laserpulse können sie optisch von außen lesen und verändern. Daher stellt das System einen idealen Grundbaustein zum Aufbau künftiger Quantencomputer dar.
Spin-up oder Spin-down entsprechen hierbei den klassischen Informationseinheiten 0 und 1, dazu kommen aber außerdem noch die Zwischenzustände aus den quantenmechanischen Überlagerungen von up und down.
Bisher unbekannte Verlustmechanismen
Allerdings gibt es ein Problem: „Wir haben herausgefunden, dass die Verspannungen im Halbleitermaterial zu einem neuen bis vor kurzem noch unbekannten Verlustmechanismus führen“, sagt Alexander Bechtold. Die Verspannungen erzeugen nämlich winzige elektrische Felder im Halbleiter, die sich auf den Spin der Atomkerne auswirken.
„Das ist eine Art piezoelektrischer Effekt“, sagt Bechtold. „Es kommt dabei zu unkontrollierten Fluktuationen der Kernspins.“ Diese können wiederum den Spin des Elektrons, also die gespeicherte Information, verändern. Innerhalb von hundert Nanosekunden würde sie verloren gehen.
Darüber hinaus konnte das Team um Alexander Bechtold noch weitere Verlustmechanismen nachweisen, etwa dass generell jeder Elektronenspin von den Spins der ihn umgebenden etwa 100.000 Atomkerne beeinflusst wird.
Rettung vor dem quantenmechanischen Vergessen
„Beide Verlustkanäle lassen sich jedoch abschalten, wenn wir ein etwa 1,5 Tesla starkes Magnetfeld anlegen“, sagt Bechtold. „Das entspricht der Magnetfeldstärke eines starken Permanentmagneten. Damit stabilisieren wir die Kernspins, und die Informationen bleiben gespeichert.“
„Das System ist insgesamt äußerst vielversprechend“, so Jonathan Finley, Leiter der Forschungsgruppe. „Die Halbleiter-Quanten-Dots haben den Vorteil, ideal mit bestehender Computertechnologie zu harmonieren, da sie aus ähnlichen Halbleiter-Materialien bestehen.“ Sie ließen sich sogar mit elektrischen Kontakten versehen und so nicht nur optisch mit dem Laser, sondern zusätzlich mit Hilfe etwa von Spannungspulsen ansteuern.