Neues Messgerät erfasst Stickstoffdioxide im Abgas eines vorausfahrenden Fahrzeugs
Mobile Messungen im realen Straßenverkehr möglich
Stickoxidemissionen (NOx) von Fahrzeugen tragen wesentlich zur schlechten Luftqualität in Städten bei. Vor allem hohe Konzentrationen von Stickstoffdioxid (NO2) sind dabei problematisch. Die NOx-Emissionen variieren jedoch sehr stark von Fahrzeug zu Fahrzeug und hängen von zahlreichen Parametern ab, die nach Angaben von Denis Pöhler nicht alle ausreichend genau bekannt sind. Dazu gehören Fahrzeug- und Motortyp, Abgasbehandlung, Alter, Zustand und Fahreigenschaften. Ein weiteres Problem sind die Daten, die Behörden und Wissenschaft für ihre Modellrechnungen benötigen, um die NOx-Emissionen verschiedener Fahrzeuge abschätzen und deren Beitrag zur Luftverschmutzung bestimmen zu können. Erforderlich sind nicht nur verlässliche Fahrzeugemissionsdaten unter realen Fahrbedingungen, sondern auch Untersuchungen der tatsächlich gefahrenen Kilometer verschiedener Fahrzeugtypen. „Beide Datensätze sind jedoch nur sehr unzureichend vorhanden oder schwer zu erheben“, sagt Dr. Pöhler. Der Wissenschaftler verweist in diesem Zusammenhang auch auf die zum Teil großen Diskrepanzen, die zwischen den Abgaswerten auf dem sogenannten Rollenprüfstand und tatsächlichen Emissionen während der Fahrt beobachtet wurden.
Für das „Datenproblem“ haben Dr. Pöhler und sein Team ein schnelles und mobil einsetzbares Gerät zur Messung von Stickstoffdioxid mit der Bezeichnung „NO2 ICAD“ entwickelt. Eine genaue NO2-Messung wird dabei durch die spektroskopische Absorption von Molekülen erreicht. „Dieses Messgerät ist daher unempfindlich gegenüber Störungen wie zum Beispiel Intensitätsschwankungen durch Temperaturänderungen oder Vibrationen. Auch andere Gase und Partikel haben keinen Einfluss auf die Messungen“, so Dr. Pöhler. Bei den Untersuchungen ist das Instrument in einem Fahrzeug installiert, so dass die Konzentration von NO2 in den Abgasfahnen von PKWs, Bussen, LKWs oder Zweirädern während der Fahrt gemessen werden kann.
Im Praxistest kam das „NO2 ICAD“-Gerät unter anderem bei Messungen in Mainz zum Einsatz. Im Auftrag der Stadt wurden diese an sieben Tagen im März und im April 2014 durchgeführt. Dabei haben die Heidelberger Wissenschaftler des Instituts für Umweltphysik mehr als 730 Fahrzeuge im realen Stadtverkehr erfasst. Sie bestimmten – in „parts per billion“ (ppb), also „Teilen pro Milliarde“ – den NO2-Anteil in der jeweiligen Abgasfahne und verglichen diesen Wert mit der sogenannten Hintergrundkonzentration an Stickstoffdioxid. Auf diese Weise konnten sie Rückschlüsse auf die Emissionen der einzelnen Fahrzeuge ziehen.
„Wir haben bei diesem Praxiseinsatz Stickstoffdioxid-Werte von wenigen parts per billion bis zu 7000 ppb gemessen. Dabei gab es nicht nur, wie erwartet, Unterschiede zwischen den Fahrzeugkategorien, sondern auch innerhalb einer Kategorie selbst“, erläutert Denis Pöhler. Nur 7,6 Prozent aller Fahrzeuge überschritten einen NO2-Wert von 500 ppb, vor allem Busse älterer Modelle, aber auch einzelne PKW und Motorräder. „Diese machen nach unserer Datenanalyse aber 45 Prozent der gesamten Emissionen aus. Somit könnte die Umweltbelastung durch technische Nachbesserungen an nur wenigen Fahrzeugen bereits nahezu halbiert werden“, erläutert der Heidelberger Physiker. „Mit unseren Messdaten konnten wir außerdem die Schwachstellen von Simulationen aufzeigen, in denen bestimmte Parameter und Faktoren wie Fahrzeugzählung, Fahrzeugflotte oder Emissionswerte nicht repräsentativ berücksichtigt werden.“ Aktuell finden weitere Messungen in mehreren deutschen Städten statt.
Ziel von Dr. Pöhler ist es, sein neues Gerät zur Messung von Stickstoffdioxid in der Luft zur Marktreife zu bringen. Das System wird derzeit um Messmöglichkeiten für Stickstoffmonoxid (NO) und Kohlendioxid (CO2) erweitert. Damit lassen sich dann eine Vielzahl unterschiedlicher Umweltbeobachtungen und Emissionsmessungen realisieren. Die Anwendungsgebiete reichen von High-End-Nutzern in der Wissenschaft über Emissionsmessungen von Fahrzeugen und der Überwachung der Luftqualität bis zur Nutzung in Industrie und Medizin.
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