Kontrolliertes Schalten eines Antiferromagneten
Neues Konzept für digitale Datenspeicher
Copyright: Forschungszentrum Jülich
Ferromagneten reagieren auf externe Magnetfelder, indem sie ihre atomaren magnetischen Momente, die so genannten Spins, neu ausrichten. Bei Magnetstreifen auf Kreditkarten oder Festplatten von Computern ist dieser Effekt einerseits nützlich, denn er dient zum Einschreiben der Daten. Andererseits ist es nötig, sie von unerwünschten Magnetfeldern, zum Beispiel bestimmten medizinischen Geräten, fernzuhalten, damit Daten nicht versehentlich gelöscht werden.
Bei Antiferromagneten zeigt in einem schachbrettartigen Muster die Hälfte der Spins in eine Richtung, die andere Hälfte in die Gegenrichtung. Deshalb werden solche Materialien von einem Magnetfeld nicht beeinflusst und lassen sich für die derzeit gebräuchliche Methode des magnetischen Datenschreibens auch nicht nutzen. Lediglich in Kombination mit anderen Materialklassen kommen sie bisher in der Informationstechnologie zum Einsatz. Weil Antiferromagneten aber magnetisch stabiler und grundsätzlich schneller schaltbar als Ferromagneten sind, suchten die Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und ihre europäischen Partner nach einem Weg, sie als eigenständiges Datenspeichermaterial nutzbar zu machen.
An Kupfermanganarsenid-Proben gelang ihnen nun der Nachweis, dass sich die Ausrichtung der magnetischen Momente geeigneter Antiferromagneten mit Strompulsen kontrollieren lässt. "Der Strom bewirkt ein quantenmechanisches Drehmoment auf einzelne Spins und lässt sie um jeweils 90 Grad kippen", berichtet Dr. Frank Freimuth vom Jülicher Peter Grünberg Institut und Institute for Advanced Simulation. Eine in Jülich entwickelte Simulationssoftware half dem theoretischen Physiker und seinen Kollegen, im Detail zu verstehen, wie das Umklappen abläuft. Wichtig ist dabei, dass der Strom parallel zur ursprünglichen Spinrichtung fließt. Um die Spins zurückzuschalten, wird deshalb ein Strom benötigt, der senkrecht zum ersten Puls fließt. Zum Auslesen der Magnetzustände nutzten die Forscher aus, dass sich der elektrische Widerstand des Materials je nach Spinrichtung verändert.
"Die Geschwindigkeit, mit der die Spins umklappen, hängt von der materialtypischen Wechselwirkung der Spins untereinander ab, der so genannten Austauschwechselwirkung, die die Spinausrichtung stabilisiert. Das Schalten von Antiferromagneten kann dadurch zehnmal schneller ablaufen als bei Ferromagneten", erläutert Prof. Yuriy Mokrousov einen Vorteil des Verfahrens. Mokrousov leitet die Forschungsgruppe "Topological Nanoelectronics" am Institut seines Kollegen Frank Freimuth. Außerdem kann ein durch Strom geschaltetes Bauteil stärker miniaturisiert werden als solche, die magnetische Felder zum Schalten benötigen, da sich damit kleinere Speicherbereiche ansprechen lassen. Zudem gibt es ein breites Spektrum verschiedener Materialien, die bei Raumtemperatur antiferromagnetisch sind, was für Anwendungen essentiell ist. Antiferromagnetismus kommt viel häufiger vor als Ferromagnetismus und findet sich unter anderem in Metallen, Halbleitern und Isolatoren, was die Integration in bestehende Konzepte vereinfacht.
Originalveröffentlichung
P. Wadley et al.; "Electrical switching of an antiferromagnet"; Science (2016)