Trotz Trägheit in Aktion beobachtet
Christian Hackenberger
Im Wettlauf um immer schnellere Elektronik könnte Licht eine wichtige Rolle spielen. So ver-folgen Physiker z.B. das Ziel, mit kurzen Lichtpulsen einer präzise kontrollierten Wellenform elektrische Ströme in Schaltkreisen mit Lichtfrequenzen zu steuern. Aber werden die Elekt-ronen in den Schaltkreisen den Lichtschwingungen unmittelbar folgen? Wie schnell werden sie auf das Drücken eines „licht-basierten“ Knopfes reagieren? Oder, ganz grundsätzlich gefragt: wie schnell sprechen Elektronen, die in Atomen, Molekülen oder Festkörpern ge-bunden sind, auf die Einstrahlung von Licht an? Jetzt hat ein internationales Wissenschaft-lerteam unter der Leitung von Dr. Eleftherios Goulielmakis, Leiter der Forschungsgruppe „Attoelectronics“ am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, zusammen mit Forschern der Texas A&M University (USA) und der Staatlichen Lomonossow Universität Moskau (Russland) erstmals einen solchen Verzögerungseffekt gemessen. Dabei regten sie mit optischen Attosekunden-Lichtpulsen Krypton-Atome an und beobachteten, dass es ungefähr 100 Atto-sekunden dauert, bis sich die Reaktion der Elektronen auf die elektromagnetischen Kräfte des Lichtes bemerkbar macht.
Nach den Vorhersagen der Quantenmechanik benötigen selbst die leichtesten Teilchen außerhalb des Atomkerns, die Elektronen, eine bestimmte, wenn auch sehr kurze Zeitspanne, um auf die Kräf-te von Licht zu reagieren. Dabei handelt es sich nur um einige 10 oder 100 Attosekunden (1 as ist ein Milliardstel von einer milliardstel Sekunde), weshalb dieser Prozess bislang als unmessbar schnell galt.
„Eine Voraussetzung dafür, ein so kurzes Ereignis einzufangen, ist ein Lichtblitz, der die Elektronen extrem schnell in Bewegung versetzt – im Fachjargon „polarisiert“ – und so ihre Reaktionszeit testet“, erklärt Dr. Mohammed Hassan aus der Forschungsgruppe von Dr. Goulielmakis. So einen Lichtblitz stellen die Wissenschaftler mit einem sogenannten „light-field synthesizer“ her. Dabei manipulieren sie die Eigenschaften des sichtbaren, nah-infraroten und ultravioletten Lichtes so, dass sie daraus dann einen Lichtpuls im sichtbaren Bereich mit einer Länge von nur 380 Attosekunden zusammensetzen können. Die Pulse sind so kurz, dass sie kaum mehr als eine halbe Schwingung des Lichtfeldes mit sich führen und sind damit die kürzesten je im sichtbaren Bereich erzeugten Pulse. „Wir können sichtbares Licht nicht nur mit Attosekunden-Präzision manipulieren, sondern seine Wellen auch auf Attosekunden-Zeitintervalle beschränken“, erläutert Dr. Tran Trung Luu, Wissenschaftler im Team von Dr. Gouliemakis.
Mit diesem neuen Werkzeug verfügten die Wissenschaftler über eine Methode, Krypton-Atome mit optischen Attosekunden-Pulsen anzuregen. Durch Variation von Intensität und Phase der jeweiligen Pulse erreichten sie, dass in verschiedenen Experimenten leicht unterschiedliche Kräfte auf die Elektronen in den Atomen wirkten. Anhand der daraufhin von den Elektronen emittierten Vakuum-Ultraviolett-Strahlung konnten sie erkennen, wie die Elektronen darauf reagieren. Daraus konnten sie ableiten, dass es etwa 100 Attosekunden dauert, bis die Elektronen auf die Kraft des Lichtes ansprechen.
“Unsere Untersuchung setzt einen Schlussstrich unter die Jahrzehnte währende Debatte über die fundamentale Dynamik der Licht-Materie-Wechselwirkung. In den letzten Dekaden waren wir bereits in der Lage, sowohl die Drehbewegungen als auch die Kernbewegungen in Molekülen mit der Femtosekundentechnologie aufzudecken. Jetzt können wir erstmals auch die Reaktion der in den Atomen gebundenen Elektronen in Echtzeit verfolgen“, betont Dr. Goulielmakis. „Aber gleichzeitig stehen wir am Beginn einer neuen Epoche, in der wir Materie über die Beeinflussung von Elektronen untersuchen und manipulieren werden.“
Einer der nächsten Schritte, die Goulielmakis und sein Team planen, ist die Ausdehnung dieser Untersuchungen auf die Elektronendynamik in Festkörpern. „Damit werden wir herausfinden, auf welchem Weg wir am besten neuartige ultraschnelle Elektronik und Photonik realisieren können, die auf Zeitskalen von wenigen Femtosekunden und mit Petahertz-Taktfrequenzen arbeiten“, führt Goulielmakis aus.