Forschungszentrum Jülich plant neuartige Neutronenquelle

19.02.2016 - Deutschland

Forschung mit Neutronen ermöglicht einzigartige Einblicke in das Innere von Materie und ist damit eine Schlüsseltechnologie für viele Wissenschaftsbereiche. Die aufwendigen Untersuchungen finden oft an Forschungsreaktoren statt, von denen viele in den kommenden Jahren das Ende ihrer Betriebsdauer erreichen werden. Das Forschungszentrum Jülich hat mit der Entwicklung eines Konzepts für kosteneffiziente Neutronenquellen begonnen, die mittelgroße Anlagen ablösen sollen. Sie funktionieren ohne die reaktortypische Kettenreaktion. Auch kleinere Anlagen im Labormaßstab lassen sich mit dem gleichen Prinzip realisieren. Das Konzept und die Ergebnisse erster Komponententests haben die Forscher in der Januarausgabe der internationalen Fachzeitschrift European Physics Journal Plus und auf einem Festakt anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Jülich Centre for Neutron Science (JCNS) am 17. Februar vorgestellt.

Copyright: Forschungszentrum Jülich

Eine extrem kompakte Neutronenquelle mit Beschleunigern relativ niedriger Endenergie will das Jülicher Projektteam durch Nutzung neuster technologischer Entwicklungen in den Bereichen Target, Moderator, Strahlextraktion, Strahlführung und Neutronenoptik realisieren. Optimiert für bestimmte Untersuchungen, etwa von kleinen Proben, soll sie die großen internationalen Anlagen in idealer Weise ergänzen.

"Leistungsfähige mikroskopische Analysemethoden sind eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung neuer Materialien und Materialsysteme. Neutronen sind dabei wegen ihrer einzigartigen Eigenschaften für Wissenschaftler vieler Disziplinen unverzichtbar, von der Physik über die Chemie, Biologie, Geologie bis hin zu den Material- und Ingenieurswissenschaften", betonte Prof. Sebastian M. Schmidt, Mitglied des Jülicher Vorstands, auf dem Festakt in Jülich. Die ungeladenen Bausteine von Atomkernen verraten unter anderem, wo sich Atome befinden, wie sie sich bewegen und welche magnetischen Eigenschaften sie besitzen. Im Gegensatz zu Techniken wie der Elektronenmikroskopie oder der Röntgenbeugung liefern sie auch Informationen über leichte Elemente und können für sensible Proben genutzt werden.

Die wissenschaftlich und technisch anspruchsvollen Untersuchungen finden an großen und mittelgroßen spezialisierten Forschungsanlagen, den Neutronenquellen, statt. Oft handelt es sich um Forschungsreaktoren. Einige davon werden jedoch bereits in weniger als 5 Jahren ihren Betrieb einstellen.

Das Jülicher Konzept basiert auf der Nutzung neuester technologischer Entwicklungen, die eine beschleunigerbasierte Produktion stark gebündelter Neutronen ermöglicht. Anders als bei Reaktoren findet hier keine Kettenreaktion statt – stattdessen werden Neutronen durch Kollisionen von beschleunigten Deuteriumatomen mit Metallfolien freigesetzt.

Mit der neuen Neutronenquelle können Neutronen für ausgewählte Zwecke besonders effizient genutzt werden. "Für bestimmte Fragestellungen werden so Ergebnisse möglich, die den derzeit führenden Quellen nicht nachstehen, und dies mit nur circa 30 Prozent der Kosten", erläuterte Prof. Dr. Thomas Brückel, Direktor am JCNS. Die gebündelten Neutronen eignen sich sehr gut, um kleine Proben zu untersuchen, etwa Proteinkristalle, die oft kleiner als einen Kubikmillimeter sind. So lässt sich etwa die Position leichter Elemente ermitteln, die oft entscheidend für die biologische Funktion ist.

Zunächst soll die Machbarkeit an einem Prototypen gezeigt werden. Dazu haben die Jülicher mittels Computersimulationen und Tests an Bauteilprototypen bereits erste Komponenten für die HBS optimiert.
Die Helmholtz-Gemeinschaft hat das Projekt wegen seiner Bedeutung für den Forschungsstandort Deutschland auf die "Roadmap für Forschungsinfrastrukturen 2015" aufgenommen.

"In der Forschung mit Neutronen ist Europa weltweit führend. Diese Stellung hat es einem Netzwerk von Neutronenquellen zu verdanken. Selbst die zukünftig weltweit stärkste beschleunigerbasierte Neutronenquelle, die European Spallation Source (ESS), die derzeit im schwedischen Lund entsteht, kann allein die Lücke nicht schließen, die durch den Wegfall der Forschungsreaktoren gerissen wird", so Brückel . "Um bestimmte wissenschaftliche Experimente durchführen, Nutzer anwerben, Nachwuchs ausbilden und Methoden entwickeln zu können, brauchen wir daher weiterhin ein europäisches Netzwerk von Neutronenquellen."

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