Auf der Jagd nach seltenen Teilchenzerfällen
© Quelle: KEK
Vor Kurzem wurden am SuperKEKB in Japan zum ersten Mal Teilchen in den rund drei Kilometer Umfang messenden Hauptbeschleunigerring eingeschossen, fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und mit Hilfe von Magneten längere Zeit auf einer Kreisbahn gehalten. Im SuperKEKB-Beschleuniger werden Elektronen mit Anti-Elektronen, den sogenannten Positronen, zur Kollision gebracht. Nachdem am 10. Februar zum ersten Mal Positronen im Beschleunigerring umgelaufen sind und gespeichert werden konnten, wurden am 26. Februar auch Elektronen in umgekehrter Richtung erfolgreich in Umlauf gebracht.
Die Wissenschaftler werten dies als „wichtigen Meilenstein“ auf dem langen Weg zu einer neuen Teilchenbeschleunigergeneration. SuperKEKB soll eine besonders große Zahl an Teilchenkollisionen produzieren, in denen in großen Mengen sogenannte „Beauty-Quarks“, „Charm-Quarks“ und „Tau-Leptonen“ erzeugt werden. Die Teilchenphysiker hoffen, in den Zerfällen dieser Teilchen auf neue Phänomene zu stoßen und Hinweise auf noch unentdeckte Teilchen zu erhalten.
Am SuperKEKB werden besonders viele Teilchenkollisionen erzeugt
Im Jahr 2012 sorgte der weltberühmten Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Forschungszentrum für Teilchenphysik (CERN) in Genf für Aufsehen: Erstmals hatten Wissenschaftler dort das rätselhafte Higgs-Teilchen nachgewiesen, für dessen theoretische Vorhersage der Nobelpreis für Physik verliehen wurde. „Anders als im LHC bei Genf, in dem Protonen auf Protonen geschossen werden, werden im neuen japanischen Teilchenbeschleuniger in Tsukuba Elektronen mit Anti-Elektronen bei einer sehr hohen Rate kollidiert“, erklärt Prof. Dr. Jochen Dingfelder vom Physikalischen Institut der Universität Bonn. „Das Ziel ist es, möglichst viele Kollisionen pro Sekunde zu erzeugen, um sehr präzise Messungen durchführen und seltene Zerfälle von Teilchen untersuchen zu können“, sagt Prof. Dr. Norbert Wermes.
In einer internationalen Kollaboration mit über 600 Wissenschaftlern aus 23 Ländern wird derzeit der Belle II-Detektor entwickelt. Die Bonner Arbeitsgruppen von Prof. Wermes und Prof. Dingfelder sind zusammen mit neun weiteren deutschen Gruppen maßgeblich an der Entwicklung und dem Bau des neuartigen Silizium-Pixeldetektors beteiligt. Der Pixeldetektor ist die innerste Detektorkomponente von Belle II und von zentraler Bedeutung für eine präzise Vermessung von Teilchenspuren sehr nahe am Kollisionspunkt. Am Physikalischen Institut in Bonn wurde unter anderem ein zur Auslese des Pixeldetektors und zur Signalverarbeitung wichtiger Elektronik-Chip entwickelt. Auch die Vorbereitungen für die zukünftigen Analysen der Teilchenkollisionen im Belle II-Detektor sind bereits im Gange.
Suche nach neuartigen physikalischen Phänomenen
Die Physiker suchen mit dem japanischen Teilchenbeschleuniger und dem Belle II-Detektor nach Anzeichen für neuartige physikalische Phänomene. Gelingt es ihnen, Hinweise auf neue Teilchen oder neue Prozesse aufzuspüren, die nicht durch das Standardmodell der Elementarteilchenphysik beschrieben werden, „wäre dies ein gewaltiger Schritt nach vorn in unserem Verständnis der fundamentalen Bausteine des Universums“, sagt Prof. Dingfelder. Doch bis dahin wird es noch etwas dauern: Das Belle II-Experiment am SuperKEKB soll voraussichtlich im Jahr 2018 mit der Datennahme beginnen. Rund 15 Wissenschaftler der Universität Bonn sind an der Entwicklung des Detektors, seiner Inbetriebnahme und später an der Durchführung des Experiments beteiligt.
Nachfolgeprojekt von KEKB
SuperKEKB und Belle II sind die Nachfolger des Beschleunigers KEKB und des Belle-Experiments, das nach mehr als zehnjährigem erfolgreichen Betrieb im Juni 2010 eingestellt wurde. Durch die Messungen des Belle-Experimentes konnte eine von den japanischen Physikern Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa aufgestellte Theorie experimentell bestätigt werden, welche eine wichtige Voraussetzung für das Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie in unserem Universum darstellt, und für die im Jahr 2008 der Nobelpreis für Physik verliehen wurde. Die Kollisionsrate der Elektronen und Anti-Elektronen soll bei SuperKEKB nun im Vergleich zum Vorgänger um das 40-Fache gesteigert werden.
„Die Beschleuniger SuperKEKB in Japan und LHC am CERN ergänzen sich perfekt und ermöglichen vollkommen neue Einblicke in die Teilchenwelt“, sagt Prof. Wermes. Die Zukunft werde zeigen, wie lange das Standardmodell der Elementarteilchenphysik noch Bestand habe.