Klassisches Doppelspalt-Experiment in neuem Licht

Neue Röntgenspektroskopie-Methode basierend auf dem klassischen Doppelspalt-Experiment

22.01.2019 - Deutschland

Einem internationalen Forscherteam unter Führung von Physikern des Sonderforschungsbereichs 1238 der Universität zu Köln ist es gelungen, eine neue Variante des grundlegenden Doppelspalt-Experiments mittels resonanter inelastischer Röntgenstreuung am Europäischen Synchrotron ESRF in Grenoble zu realisieren, um auf diese Weise die elektronische Struktur von Festkörpern genauer bestimmen zu können.

Markus Grüninger, Universität zu Köln

Doppelspalt-Experiment mittels resonanter inelastischer Röntgenstreuung an einem Iridiumoxid-Kristall: Ein intensiver Strahl energiereicher Röntgenphotonen (violett) trifft im Kristall auf zwei benachbarte Iridium-Atome (grün). Dadurch werden für kurze Zeit Elektronen in den Atomen angeregt. Die Atome senden Röntgenphotonen aus, die sich hinter den beiden Iridium-Atomen überlagern (rot) und als Interferenzbild analysiert werden können.

Das Doppelspalt-Experiment spielt in der Physik eine herausragende Rolle. Vor mehr als 200 Jahren hat Thomas Young Licht an zwei nebeneinanderliegenden Spaltöffnungen gebeugt und so hinter diesem Doppelspalt Interferenzmuster, also Überlagerungsbilder, erzeugt. Damit konnte er die Welleneigenschaften des Lichts nachweisen.

Im 20. Jahrhundert wurde gezeigt, dass Elektronen oder Moleküle bei Streuung am Doppelspalt das gleiche Interferenzmuster zeigen, was der klassischen Erwartung vom Teilchenverhalten widerspricht aber im quantenmechanischen Welle-Teilchen-Dualismus erklärt werden kann.

Demgegenüber hat die Forschergruppe einen Iridiumoxid-Kristall (Ba3CeIr2O9) mittels der sogenannten resonanten inelastischen Röntgenstreuung (RIXS)  untersucht. Dabei wird der Kristall mit stark gebündelten, sehr energiereichen Röntgenphotonen bestrahlt.

Die Beugung der Röntgenstrahlung findet hier nicht an Spaltöffnungen, sondern an Iridium-Atomen im Kristall statt. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung von RIXS und einer geschickten Wahl der Kristallstruktur ist es den Physikern nun gelungen, gezielt die Streuung an zwei benachbarten Iridium-Atomen, einem sogenannten Dimer, zu beobachten. „Das Interferenzmuster verrät uns sehr viel über das streuende Objekt, den Dimer-Doppelspalt.

Im Gegensatz zum klassischen Doppelspalt-Experiment geben die inelastisch gestreuten Röntgen-Photonen Auskunft über die angeregten Zustände des Dimers, insbesondere deren Symmetrie, und somit über die dynamischen physikalischen Eigenschaften des Festkörpers“, erläutert der Leiter der Forschergruppe Professor Markus Grüninger von der Universität zu Köln.

„Diese RIXS-Experimente erfordern ein modernes Synchrotron als äußerst brillante Röntgenlichtquelle und einen ausgefeilten experimentellen Aufbau. Um gezielt nur die Iridium-Atome anzuregen, müssen wir aus dem breiten Spektrum des Synchrotrons den sehr geringen Anteil der Photonen mit der richtigen Energie auswählen, und bei den gestreuten Photonen wird noch strenger nach Energie und Streurichtung selektiert. Da bleiben nur noch wenige Photonen übrig“, so Grüninger. Mit der erforderlichen Genauigkeit sind diese RIXS-Experimente derzeit nur an zwei Synchrotronen weltweit möglich. Die Physiker haben ihr RIXS-Experiment am ESRF, der European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble durchgeführt.

„Mit unserem RIXS-Experiment konnten wir eine grundlegende theoretische Vorhersage aus dem Jahre 1994 realisieren. Damit öffnet sich uns eine neue Tür für eine ganze Reihe weiterer Experimente, die uns ein tieferes Verständnis der Eigenschaften und Funktionalitäten von Festkörpern erlauben werden“, sagt Grüninger.

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