Computersimulation enthüllt neue Seite der Kavitation

Ansatz gegen Verschleiß in Pumpen und Gleitlagern

30.03.2016 - Deutschland

Eine bisher unbekannte Entstehungsweise von Kavitationsblasen haben Forscher mit Hilfe einer Modellrechnung entdeckt. In der Fachzeitschrift Science Advances beschreiben sie, wie Öl-abstoßende und Öl-anziehende Oberflächen auf einen vorbeiströmenden Ölfilm wirken. Je nach Viskosität des Öls bildet sich am Übergang eine Dampfblase. Diese sogenannte Kavitation kann Material schädigen etwa bei Schiffsschrauben oder Pumpen. Sie kann aber auch einen positiven Effekt haben, in dem sie für Abstand zwischen Bauteilen sorgt und damit Schädigung vermeidet.

KIT

Eine Kavitationsblase entsteht im Schmiermittel zwischen Öl-anziehender (gelb) und Öl-abstoßender Fläche (schwarz). Als Puffer könnte sie Verschleiß reduzieren.

Die Material- und Reibungsforscher wollten wissen, welchen Einfluss chemisch unterschiedliche Oberflächen auf das Fließverhalten eines Schmierstoffs haben. Insbesondere interessierte sie das Verhalten in nanometerbreiten Schmierspalten, einem kritischen Fall nah an der Grenzreibung, das heißt kurz vor dem direkten Kontakt zwischen Oberflächen. Dazu stellten sie ein mathematisches Modell auf, in welchem sie die Viskosität des Schmierstoffs und die Oberflächeneigenschaften der Wände variierten. „Wir waren sehr überrascht, dass in der Simulation dann am Übergang der Oberflächen – also der Grenze zwischen Öl-anziehend und Öl-abstoßend – Kavitation entsteht“, berichten Dr. Lars Pastewka und Prof. Peter Gumbsch vom Institut für Angewandte Materialien des KIT.

Kavitation ist ein bekanntes und wegen seiner zerstörerischen Kraft gefürchtetes, physikalisches Phänomen. „Bisherige Kavitationsmodelle gehen von einer bestimmten Geometrie aus, die Kavitation hervorruft, wie zum Beispiel eine Engstelle in einer Pumpe oder eine Schiffsschraube, die hohe Strömungsgeschwindigkeiten verursacht“, erklärt Pastewka. Dabei gilt das physikalische Gesetz von Bernoulli, dass der statische Druck einer Flüssigkeit umso geringer ist, je schneller sie strömt. Fällt dabei der statische Druck unter den Verdampfungsdruck der Flüssigkeit, bilden sich Dampfblasen. Steigt der Druck wieder – zum Beispiel wenn die Flüssigkeit nach einer Engstelle in einer Pumpe wieder langsamer fließt – kondensiert der Dampf in den Blasen schlagartig und sie implodieren. Die dabei entstehenden extremen Druck- und Temperaturspitzen führen zu typischen Kavitationskratern und erheblicher Erosion selbst in gehärtetem Stahl.

„Diese schlagartige Implosion der Dampfblasen passiert aber in den meisten geschmierten Tribosystemen nicht“, betont Dr. Daniele Savio, der mittlerweile am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik in Freiburg forscht. „Da der Fluidspalt zwischen aneinander reibenden Oberflächen in der Regel sehr dünn ist, können die Kavitationsblasen nicht stark wachsen und bleiben deswegen stabil. Die Kavitationsblase hat dann keine schädliche Wirkung und dient sogar als Puffer zwischen den Oberflächen, was Reibung und Verschleiß reduziert. Deswegen ist es wichtig, diesen positiven Effekt kontrolliert zu generieren“, erklärt er.

In ihrem Simulationsmodell belegen Savio und seine Kollegen nun, dass auch chemisch wechselnde Oberflächen zu Kavitationsblasen führen können. Sie stellen in ihrer Publikation die Frage, ob Kavitation in Situationen, wo ein Schmierstoff zwischen zwei Oberflächen strömt, die Norm ist und nicht die Ausnahme. „Denn üblicherweise sind Oberflächen, wie sie in Motoren oder Zylindersystemen vorkommen, nie homogen – also nur Öl-anziehend oder Öl-abstoßend“, betont Savio. „Der von uns berechnete Effekt könnte daher überall in geschmierten Motoren und Pumpen entstehen, wo wechselnde Oberflächeneigenschaften aneinandergrenzen.“

Kavitation wurde bisher ausschließlich als geometrischer Effekt betrachtet, der durch Scherkräfte, Fließgeschwindigkeit und Druckunterschiede entsteht, beschreiben die Forscher die Situation. „Dass Kavitation auch an Übergängen von wechselnden Oberflächeneigenschaften entstehen kann, ist komplett neu“, hebt Pastewka hervor. Durch ein gezieltes Einstellen der Oberflächenchemie, so sind sich die Forscher sicher, könnte man die Wechselwirkung zwischen Oberfläche und Schmierstoff erheblich verbessern. In den Modellsimulationen konnte man eine Verbesserung der Oberflächentrennung um 10 Prozent beobachten.

„Zusätzliche 10 Prozent Abstand erlauben beispielsweise in Gleitlagern höhere Normalkräfte und Lasttragfähigkeiten bei ansonsten gleichen Bedingungen“, überlegt Savio. In jedem Fall, da sind sich die Wissenschaftler einig, muss die Oberflächenchemie als Designelement im Maschinenbau nun neu bewertet werden.

Originalveröffentlichung

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