Kerzenwachs-Rakete hebt doch noch ab
ZARM
Bis zum Schluss blieb es spannend. Nachdem der „Hot Countdown“ für die ZepHyR dreimal abgebrochen werden musste, hat der Projektförderer, das Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), schnell und unbürokratisch eine Projektverlängerung genehmigt. Heute um 11:57 Uhr erfolgte der reibungslose Start vom Raketenstartplatz Esrange in Kiruna, Schweden. Bei Testläufen in Bremen entwickelte der von den Studierenden konstruierte Hybrid-Raketenantrieb, der ausschließlich mit Paraffin und flüssigem Sauerstoff arbeitet, sechs Megawatt thermische Leistung über 25 Sekunden - umgerechnet 8100 PS. Bei seinem ersten Flugeinsatz bewies er seine volle Funktionsfähigkeit und beförderte die Rakete auf eine Höhe von 1500 Metern.
Projektleiter Peter Rickmers ist sehr zufrieden: "Wir sind alle unglaublich froh, dass der Start nun geklappt hat. 1500 Meter Höhe ist zwar weniger als erwartet, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass wir bei diesem Versuch übervorsichtig waren und zu wenig Sauerstoff getankt haben. Genaueres werden wir erfahren, wenn wir die Rakete geborgen haben. Da wir bis 500 Meter vor der Landung ein GPS-Signal hatten, stehen die Chancen gut, dass wir sie auch wiederfinden. Die gesammelten Daten werden dann eingehend analysiert und hoffentlich für eine verbesserte Version des Antriebs für das STERN-2-Projekt genutzt."
Das gesamte ZepHyR-Team („ZARM Experimental Hybrid Rocket“) rund um Peter Rickmers ist am 3. April 2016 nach Kiruna geflogen, um beim Pionierflug der Eigenkonstruktion vor Ort zu sein. Die Reise nach Schweden ist für die Bremer Studierenden im Fachbereich Produktionstechnik die letzte Etappe des STERN-Programms, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert wird und deutschen Universitätsteams die Chance bietet mit der Entwicklung einer Rakete praxisnahe Erfahrungen in der Raumfahrtforschung zu sammeln. Im Gegensatz zu vielen anderen Raketenstarts, bei denen Forschungsteams das Geschehen nur als Zuschauer beobachten können, nahm das ZARM hier alles selbst in die Hand - vom Zusammenbau der Rakete über die Betankung bis hin zum langersehnten Auslösen des Startknopfs. Sogar den Launch-Adapter, der an der Startrampe angebracht werden muss, um diese an die Abmessungen der ZepHyR-Rakete anzupassen, hat das Team aus Bremen mitgebracht und eigenhändig montiert. Dass der vom ZARM entwickelte Öko-Hybridantrieb aus Paraffin und flüssigem Sauerstoff ein in Europa bisher einzigartiges Konzept ist und in Kiruna nun zum ersten Mal als Raketenantrieb getestet wurde, steigerte die Anspannung des Teams vor jedem Startversuch zusätzlich.
Eine Stunde vor dem Raketenstart ertönt das laute Dröhnen des Warnsignals, das das breite Umland über die bevorstehende Aktivität auf dem Startplatz informiert und für alle Rentier-Hirten das Zeichen ist, sich in Schutzhütten zu begeben. Spätestens wenn die zweite Sirene 15 Minuten vor dem Start die Restlaufzeit des Countdowns ankündigt wird es ernst. Besonders beim vierten Mal muss man starke Nerven haben.
Als der Start dann doch noch funktioniert hat, war die Erleichterung entsprechend groß. Peter Rickmers: „Nachdem wir hier in Schweden in den letzten Tagen vor jedem Start unter hohem Druck standen, ist dieses Ergebnis eine tolle Belohnung für das ganze Team. Trotz schwierigster Bedingungen haben wir bewiesen, dass der Antrieb zuverlässig funktioniert. Außerdem haben wir alle – mich eingeschlossen – unglaublich viel gelernt.“ Für die Studierenden war die Woche in Schweden der Höhepunkt ihres bisherigen Studiums. Patrycja Kotarski studiert Produktionstechnik mit Schwerpunkt Luft- und Raumfahrt und ist seit sechs Monaten im Team: „Die Teilnahme hat sich für mich auf jeden Fall gelohnt: Es gibt wohl kaum eine spannendere Art und Weise Credit Points für meinen Uni-Abschluss und gleichzeitig wertvolle Praxiserfahrung zu sammeln.“
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