Die Chemie macht‘s!
Neue Erkenntnisse über die Spin-Wechselwirkungen in molekularen Magneten
Copyright: Forschungszentrum Jülich
Die Forscher untersuchten in ihrer Studie eine bestimmte Art von Molekül: PTCDA besteht aus Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffatomen, die gemeinsam sieben zusammenhängende Ringe bilden. Das Molekül wird oft als Modellsystem benutzt. "Bindet man an PTCDA ein Goldatom, dann wird das äußere Elektron dieses Atoms in das Molekül übertragen. Dessen Spin bestimmt dann die magnetischen Eigenschaften des ganzen Systems", erklärt Stefan Tautz vom Jülicher Peter Grünberg Institut. "Der Spin dieses Elektrons breitet sich gewissermaßen über das gesamte Molekül aus und macht es damit zu einer besonderen Art von molekularen Magneten."
Solche Metall-Molekül-Komplexe – sogenannte Monomere – werden in Jülich bereits seit einigen Jahren erforscht. In dieser Studie jedoch konzentrierten sich die Wissenschaftler auf Dimere: Molekülverbände aus zwei Monomeren. Die Eigenschaften solcher Dimere hängen ab von der Ausrichtung der beiden Monomere zueinander. Die Forscher erhielten so eine große Anzahl an unterschiedlichen Kombinationen von zwei molekularen Magneten, deren Spin-Wechselwirkungen sie mit experimentellen und theoretischen Methoden untersuchten.
Feinste Justierungen der magnetischen Eigenschaften
Dafür vermaßen sie mithilfe der Rastertunnelspektroskopie die Reaktion der Dimere, wenn man einzelne Elektronen hinzufügte oder entfernte – mit überraschenden Ergebnissen. Die Struktur der Spektren war nicht, wie erwartet, vom relativen Abstand der Goldatome in den beiden Monomeren abhängig. Dies legte nahe, dass die magnetischen Eigenschaften nicht allein durch quantenmechanische Wechselwirkungen beeinflusst wurden.
Dortmunder Wissenschaftler entwickelten ein quantenphysikalisches Modell, mit dem sich diese Ergebnisse erklären ließen: Die chemische Struktur der Dimere beeinflusst ihre magnetischen Eigenschaften. "Falls zwei PTCDA-Gold-Komplexe nebeneinander liegen, können sich ihre magnetischen Eigenschaften durch die Dimerbildung massiv ändern", erklärt Frithjof Anders von der Technischen Universität Dortmund. "Entweder stellen sich die Elektronspins parallel ein und erzeugen damit eine Verdoppelung des magnetischen Moments, oder sie stehen anti-parallel und bilden einen nicht-magnetischen Zustand, was zu den überraschenden Ergebnissen führt, die in Jülich gemessen wurden."
Damit lassen sich die komplexen Spin-Wechselwirkungen, die normalerweise aufgrund ihrer quantenmechanischen Natur sehr schwer beeinflussbar sind, über die chemische Wechselwirkung gewissermaßen maßschneidern. Doch mögliche zukünftige Anwendungen in der Spintronik sind nicht der wichtigste Erfolg, den die Wissenschaftler verzeichnen konnten: "Es ist uns hier gelungen, in der sehr komplexen Welt der Spin-Phänomene eine neue Art von Verhalten zu entdecken", erklärt Tautz.
Zwei theoretische Methoden kombiniert
Magnetische Phänomene dieser Art sind außerordentlich schwer theoretisch zu beschreiben und zu berechnen. Deswegen werden oft vereinfachte Modelle angenommen, die dann an die experimentellen Daten angepasst werden. In diesem Fall benutzten die Forscher jedoch sogenannte "ab initio"-Methoden als Ausgangspunkt für ihre Berechnungen. Diese werden ohne die Ergebnisse der entsprechenden Messung durchgeführt. "Mit Hilfe der ab-initio Elektronenstrukturtheorie lassen sich chemische Bindungen und Details der elektronischen Struktur mit subatomarer Präzision bestimmen", erläutert Michael Rohlfing von der Universität Münster, dessen Arbeitsgruppe die Berechnungen durchführte. In diesen konnten auch die Parameter vollständig bestimmt werden, die die magnetischen Eigenschaften kontrollieren. Diese Ergebnisse ermöglichten dann den Dortmunder Wissenschaftlern, das magnetische Verhalten der verschiedenen Dimer-Konfigurationen auszuwerten – in vollkommener Übereinstimmung mit den in Jülich gemessenen Daten.