Ringsystem mit Charme
Valentin Kunz & Marcus Schulze
Die Natur macht es vor: Im Rahmen der Photosynthese erzeugen Pflanzen mit Hilfe von Licht aus Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser (H2O) energiereiche organische Verbindungen, meist in Form von Kohlehydraten, und Sauerstoff (O2). Wenn es gelingt, diesen Prozess in einem großen Maßstab künstlich nachzuahmen, wären etliche Probleme der Menschheit vermutlich gelöst. Die künstliche Photosynthese könnte die Erde mit Brennstoffen hoher Energiedichte wie Wasserstoff, Methan oder Methanol versorgen und – nebenbei – den Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre verringern und somit den Klimawandel bremsen.
Die Entwicklung der dafür notwendigen effizienten Katalysatoren und der dazugehörigen Farbstoffe bildet einen Schwerpunkt der Forschung am Lehrstuhl von Professor Frank Würthner am Institut für Organische Chemie der Universität Würzburg. Dort konnten zwei von Prof. Würthners Doktoranden, Marcus Schulze und Valentin Kunz, jetzt einen Teilerfolg auf dem Weg dorthin vermelden.
Verbesserungen an einem künstlichen Photosystem
„In der Natur ist das sogenannte Photosystem II zentraler Bestandteil des Photosynthese-Prozesses“, erklärt Marcus Schulze. Dabei handelt es sich um einen Proteinkomplex mit einem katalytisch aktiven Zentrum bestehend aus mehreren Metallatomen. Sie müssen zusammenarbeiten, damit Wasser in seine beiden elementaren Bestandteile gespalten werden kann, was in zwei räumlich getrennt ablaufenden elektrochemischen Halbreaktionen stattfindet. Diese beiden Reaktionen im Labor nachzubilden, ist heute schon möglich. Allerdings: „Die Wasserstoffgewinnung gelingt bereits gut. Nur die Wasseroxidation zu Sauerstoff muss noch beschleunigt werden, damit die Balance der einzelnen Halbreaktionen zueinander passt“, sagt Schulze.
Für die künstliche Photosynthese setzt die Wissenschaft noch häufig auf das seltene Edelmetall Ruthenium als Katalysator. Das künstliche System arbeitet im Prinzip ähnlich gut wie sein natürliches Vorbild. Der Katalysator neigt allerdings dazu, sich relativ schnell selbst zu zersetzen. An diesem Punkt haben die beiden Würzburger Chemiker angesetzt: „Wir haben die Ruthenium-Atome in spezielle supramolekulare Strukturen eingebaut, welche die Zerstörung bremsen und eine Art ‚Selbstheilungsprozess‘ ermöglichen“, erklärt Valentin Kunz.
Zwei Jahre Arbeit im Labor
Wie einen Ring kann man sich diese Struktur vorstellen, in dem drei Rutheniumatome über drei sogenannte Liganden – speziell geformte organische Verbindungen – miteinander verbunden sind. Maßgeschneiderte Bindungsstellen garantieren, dass Metallzentren und Liganden zueinander passen wie ein Schlüssel zum Schloss. Was sich vergleichsweise einfach anhört, war in Wirklichkeit eine mehr als zwei Jahre andauernde Tüftelarbeit im Labor. „Man dreht nach und nach an verschiedenen Schrauben und schaut, was passiert“, beschreibt Kunz diese Vorgehensweise.
Das Ergebnis ist ein „zyklisches System, das sich von selbst aus definierten Einzelbausteinen zusammensetzt“, wie die beiden Chemiker erklären. Sein einfacher Aufbau, seine einfache Herstellung und die Tatsache, dass sich die Bausteine ohne großen technischen Aufwand von alleine zur gewünschten Struktur aneinander reihen, mache „aus synthetischer Sicht“ dessen Charme aus. Diese Eigenschaft mache es für potenzielle Anwendungen besser geeignet als die bisher verwendeten Systeme.
Die nächsten Schritte
Dass der von ihnen entwickelte Wasseroxidationskatalysator zusätzlich eine höhere Effizienz aufweist, freut die Chemiker – auch wenn sie dafür noch keine eindeutige Erklärung haben. Die können möglicherweise die Experten für theoretische Chemie in absehbarer Zeit liefern, mit denen Frank Würthners Lehrstuhl eng zusammenarbeitet. Roland Mitrić, Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Chemie an der Universität Würzburg, und dessen Mitarbeiterin Merle Röhr suchen mit ihren Formeln und Algorithmen jedenfalls schon nach einer Antwort auf diese Frage.
Auch wenn das System der beiden Nachwuchswissenschaftler besser als seine Vorgänger ist: „Von der Marktreife sind wir noch weit entfernt“, erklärt Marcus Schulze. Und: „Was wir machen, ist Grundlagenforschung“, ergänzt Valentin Kunz. Dabei stehen die nächsten Schritte schon fest: Zum einen wollen die Chemiker weitere Veränderungen an der Struktur ihres Katalysators und deren Auswirkungen auf die Funktion untersuchen. Zum anderen wollen sie es mit Farbstoffen verbinden, damit die Reaktion photokatalytisch – also mit Hilfe von Licht – abläuft.
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