Abgas von Kohlendioxid befreien: Neues Membranverfahren
Christian Schmid/HZG
Wesentliches Ziel der Energiewende ist es, dass Deutschland ab 2050 seine Stromversorgung zu 80 Prozent aus erneuerbarer Energie bestreitet. Um die verbleibende Lücke zu schließen und auch um die fluktuierende Erzeugung aus der erneuerbaren Erzeugung im Bedarfsfall ausgleichen zu können, werden weiterhin konventionelle Kraftwerke auf der Basis fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung in Deutschland beitragen. Kohle und Gas zu verbrennen und dabei die Freisetzung des Treibhausgases CO2 in die Atmosphäre zu minimieren, das ist die Vision, die hinter dem neuen Projekt MemKoR („Membranverfahren für die Abtrennung von Kohlendioxid aus Kraftwerksrauchgasen“) steckt.
Das Ziel, die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu reduzieren, sei ohne CO2-Abscheidung nicht zu erreichen. Darauf weisen in ihren Berichten das Bundesumweltamt, die Internationale Energieagentur (IEA) und der Weltklimarat (IPCC) hin.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) unterstützt die Forschung zur Abscheidung von Kohlendioxid an Kraftwerken oder Industrieanlagen mit mehr als drei Millionen Euro. Diese Mittel stehen dem Projektkonsortium unter Führung der Geesthachter Membranforscher für die kommenden drei Jahre zur Verfügung.
Helmholtz-Zentrum Geesthacht ist Projektleiter
Koordinierender Wissenschaftler ist Dr. Torsten Brinkmann, Abteilungsleiter im Institut für Polymerforschung am HZG. Über die Projektziele sagt er: „Die membranbasierte Abtrennung von CO2 aus Kraftwerksrauchgasen ist ideal, um auf die sich verändernden Rauchgasströme im nun häufigen Teillastbetrieb schnell und flexibel zu reagieren. Durch den modularen Aufbau unserer Membranverfahren ist es möglich, nur Teilmengen aus dem Rauchgas abzutrennen. Das erlaubt eine einfache Anpassung an den Maßstab der stofflichen CO2-Verwertung und somit eine exakt auf den Bedarf angepasste Anlage.“
Während Rauchgase bereits weitgehend von Stickoxiden und Schwefeldioxid befreit werden, liegen bei der Abtrennung von Kohlendioxid noch große Forschungsaufgaben vor den Wissenschaftlern. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Effizienzsteigerung, Kostenoptimierung und Umweltverträglichkeit der verschiedenen Verfahren. Die membranbasierte Abtrennung hat dabei als relativ neues Verfahren Vorteile gegenüber herkömmlichen Verfahren, wie zum Beispiel den chemischen Wäschen.
Trennverhalten im Experiment am Kraftwerk
„Wir wollen die Langzeitstabilität unserer Membranmaterialien, der Membranmodule und Verfahrenstechnologie im Pilotmaßstab nachweisen“, erklärt Dr. Torsten Brinkmann. „Dazu werden wir unsere CO2-Abtrennanlage mit bis zu 15 Quadratmetern Membranfläche bestücken. Hierfür kommen polymere Membranmaterialien aus Geesthacht und solche aus Keramik aus Jülich zum Einsatz. Im Rheinhafen-Dampfkraftwerk der EnBW Energie Baden-Württemberg AG in Karlsruhe und im Kraftwerk Niederaußem der RWE Generation SE haben wir dann die Möglichkeit, den Einfluss von Temperaturen, Drücken, der Gaszusammensetzung und Stäuben auf das Trennverhalten unserer Membranen unter realen Bedingungen zu testen.“ Unterstützung bei der Modellierung des Verfahrens und in Bezug auf Fragen der Wirtschaftlichkeit erhält die Projektgruppe durch die Linde AG.
Den Wissenschaftlern geht es darum, das Potenzial der Membrantechnik hinsichtlich der CO2-Abscheidung, der Prozesseffizienz und möglicher CO2-Nutzungspfade objektiv zu bewerten. Dabei sollen vor allem die veränderten Betriebsbedingungen von Kraftwerken in Zeiten der Energiewende berücksichtigt werden. Letztlich soll ein komplett neues Technologiepaket für die membranbasierte Abtrennung von CO2 aus Kraftwerksrauchgasen geschaffen werden.