Forscher entdecken Grundlagen für einen komplett optischen Speicher

18.05.2016 - Deutschland

Ein aus Methylammonium, Blei und Jod zusammengesetzter Perowskit erfüllt alle Voraussetzungen für einen optischen Speicher, der nach dem Prinzip „schreiben – lesen – löschen“ funktioniert. Dies haben sechs Bayreuther Forschergruppen in einer breiten interdisziplinären Zusammenarbeit herausgefunden. Ein solcher Speicher würde neue Möglichkeiten für die Datenspeicherung und Datenverarbeitung bieten.

Grafik: Fabian Panzer

Die orthorhombische Kristallstruktur sendet orangenes Licht aus. Dessen Intensität wird gemindert, wenn durch einen Laserpuls eine tetragonale Struktur entsteht, die zusätzlich rotes Licht aussendet.

Auf der Suche nach Halbleitermaterialien, welche die Effizienz von Solarzellen deutlich steigern können, hat die Forschung schon seit einigen Jahren ein starkes Interesse an der Materialklasse der Perowskite entwickelt. Im Fokus stehen dabei Metall-Halid-Perowskite, die sowohl organische als auch anorganische Verbindungen enthalten und deshalb als hybride Halbleiter bezeichnet werden. Mit solchen Halbleitern ist es bereits gelungen, in Solarzellen den Anteil der aus Lichtenergie gewonnenen elektrischen Energie auf über 20 Prozent zu erhöhen.

Forscher an der Universität Bayreuth haben nun herausgefunden, dass es sich noch in einer weiteren Hinsicht um vielversprechende Materialien handelt. In einer breiten interdisziplinären Kooperation sind sie zu dem Ergebnis gelangt: Ein aus Methylammonium, Blei und Jod zusammengesetzter Perowskit erfüllt alle Voraussetzungen für einen optischen Speicher, der nach dem Prinzip „schreiben – lesen – löschen“ („write – read – erase“) funktioniert. Dieser Effekt ist zwar nur bei sehr tiefen Temperaturen realisierbar. Gleichwohl ist die Bayreuther Forschungsgruppe zuversichtlich, dass sich auf der Basis der neuen Erkenntnisse ein kostengünstiger Hybridperowskit entwickeln lässt, der bei deutlich höheren Temperaturen als komplett optischer Speicher eingesetzt werden kann. Ein solcher Speicher würde neue Möglichkeiten für die Datenspeicherung und Datenverarbeitung bieten.

Temperaturabhängige Kristallphasen

Schon länger war bekannt, dass ein Perowskit aus Methylammonium, Blei und Jod bei wechselnden Temperaturen seine Gestalt ändert. Oberhalb von 163 Kelvin (etwa minus 110 Grad Celsius) besitzt er eine tetragonale Kristallstruktur. Mit rechten Winkeln und Kanten, die parallel verlaufen oder senkrecht aufeinanderstehen, hat er die Form eines in die Länge gezogenen Würfels und ähnelt insofern einem kurzen, aufrecht stehenden Gebäudepfeiler mit quadratischer Grundfläche. Sobald die Temperatur jedoch weiter absinkt, nimmt der Perowskit eine orthorhombische Kristallstruktur an. Der Pfeiler besitzt dann keine quadratische Grundfläche mehr, sondern eine dieser Kanten ändert geringfügig ihre Länge. Eine solche Strukturänderung wird in der Physik auch als Übergang zwischen zwei Kristallphasen beschrieben. Sie hat, wie die Autoren der neuen Studie jetzt beobachtet haben, Folgen für das Verhalten des Perowskits, wenn er mit Laserlicht bestrahlt wird.

Orange oder Rot: Kristallphasen und ihre Superlumineszenz

Wird ein Kristall einem Laserstrahl ausgesetzt, absorbiert er Lichtenergie. Einige Elektronen wechseln dabei vom Grundzustand in einen höheren Energiezustand. Wenn sie wieder in einen niedrigeren Energiezustand zurückfallen, wird Licht emittiert. Die Wellenlängen dieses Lichts liefern zuverlässige Informationen über die innere Struktur des Kristalls. Ein für die Forschung besonders interessanter Spezialfall dieses Phänomens ist die Superlumineszenz – auf Englisch: Amplified Spontaneous Emission, kurz: ASE. Hierbei löst ein Laserstrahl Kettenreaktionen aus, bei denen sehr viele Elektronen nahezu zeitgleich in einen hohen Energiezustand versetzt werden. Da die Elektronen dann auch wieder gemeinsam in den Grundzustand zurückfallen, ist das Licht, das dabei ausgesendet wird, dementsprechend intensiv.

Beim Perowskit aus Methylammonium, Blei und Jod haben die Bayreuther Forscher dieses Phänomen in jeder der beiden Kristallphasen beobachten können. Allerdings ist die Wellenlänge des emittierten Lichts verschieden:

  • Wird der Kristall auf unter 163 Kelvin herabgekühlt, kann man eine ASE erzeugen, bei der infolge der etwas ‚unsymmetrischen‘ orthorhombischen Struktur nur orangefarbenes Licht abgegeben wird.
  • Bei höheren Temperaturen wird infolge der ‚geradlinigen‘ tetragonalen Struktur nur rotes Licht emittiert, eine ASE mit andersfarbigem Licht ist nicht möglich.

Orange und Rot: Zeitgleiche Superlumineszenz auf kleinstem Raum

Die Pointe der neuen Studie besteht darin, dass es dem Bayreuther Forschungsteam erstmals gelungen ist, beide ASE-Effekte auf kleinstem Raum zu kombinieren. Dafür wurden die Perowskit-Kristallkörner bei kälteren Temperaturen als 163 Kelvin für eine extrem kurze Zeit mit einem feinen, hochenergetischen Laserstrahl ‚beschossen‘. Wo der Laserstrahl auftrifft, und nur dort, tritt ein Phasenübergang ein. Es entstehen winzige, tetragonal strukturierte Inseln innerhalb einer größeren, weiterhin orthorhombisch strukturierten Umgebung. Sie bleiben erhalten, wenn der ‚Laserbeschuss‘ abrupt endet: Die Inseln befinden sich dann wie in einer Schockstarre.

So können die Kristallkörner nun in einen energetischen Zustand versetzt werden, durch den die beiden ASE-Effekte zeitgleich auftreten: Es wird nicht nur orangenes, sondern – räumlich davon klar unterscheidbar – auch rotes Licht abgestrahlt. Damit die Inseln wieder verschwinden, müssen die Kristallkörner einem Temperaturwechsel oder erneut einer kurzen Laserbestrahlung ausgesetzt werden. Erst dann nehmen sie wieder eine einheitliche orthorhombische Struktur an.

Auf dem Weg zu einem komplett optischen Speicher

Damit sind im Prinzip alle Voraussetzungen gegeben, um einen komplett optischen Speicher zu entwickeln. Die Erzeugung der tetragonal strukturierten Inseln ist, informationstechnisch betrachtet, ein Schreibprozess („write“). Das Ergebnis wird durch rotes Licht ausgelesen („read“). Es wird gelöscht, wenn die Kristalle in eine durchweg orthorhombische Struktur übergehen („erase“). Vor dem „Schreiben“ und nach dem „Löschen“ kann per ASE nur orangenes, kein rotes Licht erzeugt werden. Auf diese Weise ist es mithilfe des untersuchten Perowskits möglich, eine Vielzahl von Sequenzen zu erzeugen, in denen „0“-Zustände (nur orange) und „1“-Zustände (orange und rot) einander abwechseln. Dies alles geschieht auf einer Fläche von nur wenigen Nanometern.

So eröffnen sich spannende Perspektiven für eine Datenspeicherung und Datenverarbeitung auf rein optischer Grundlage. Das Haupthindernis für industrielle Anwendungen sind allerdings noch die tiefen Temperaturen, bei denen der Wechsel zwischen den beiden Kristallphasen auftritt. Ideal wäre ein Phasenübergang unter normalen Raumtemperaturen. „In den letzten Jahren hat die anwendungsorientierte Erforschung von Hybridperowskiten beeindruckende Fortschritte gemacht. Dass auf der Basis unserer neuen Ergebnisse in nicht allzu ferner Zukunft ein Funktionsmaterial entwickelt wird, das den industriellen Anforderungen an einen komplett optischen Speicher gerecht wird – dafür gibt es eine durchaus realistische Chance“, meint die Bayreuther Physikerin Prof. Dr. Anna Köhler, die Koordinatorin der jetzt veröffentlichten Studie.

Breite interdisziplinäre Zusammenarbeit, mehrfache Forschungsförderung

Die Studie ist aus einer breiten interdisziplinären Zusammenarbeit von sechs Forschergruppen auf dem Bayreuther Campus hervorgegangen. „Ohne diese Vernetzung von Experimentalphysik, Makromolekularer Chemie, Material- und Ingenieurwissenschaften hätten wir diese spannenden Forschungsergebnisse nicht erzielen können“, meint Fabian Panzer, Physik-Doktorand und Erstautor der Studie. Er gab den entscheidenden Anstoß zu den Laser-Experimenten, die zu den schockstarren Inseln innerhalb einer andersartigen Kristallstruktur geführt haben.

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