Bayer will Monsanto: «Historische Chance» oder teures Abenteuer?
Ist der heftig umstrittene Monsanto-Konzern wirklich 62 Milliarden Dollar wert?
(dpa) Bayer und Monsanto - zusammen würden die beiden Agrarchemie-Anbieter einen Giganten im globalen Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln und Saatgut bilden. Bei dem Dax-Konzern aus Leverkusen passt die 62 Milliarden US-Dollar (55 Mrd Euro) schwere Übernahme-Offerte in die neue Strategie: weg von der klassischen Chemie mit Kunststoffen oder Industrie-Chemikalien, noch stärker hin zu den gewinnträchtigeren Sparten Landwirtschaft und Pharma.
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Welche Größenordnung hätte ein Zusammengehen von Bayer und Monsanto?
Noch ist der Deal nicht genehmigt. Sollte er von den Aktionären von Monsanto angenommen und von den Wettbewerbsbehörden durchgewunken werden, könnten beide Partner Fusionsgeschichte schreiben - jedenfalls für deutsche Verhältnisse. Der Zusammenschluss würde selbst die später wieder aufgelöste «Hochzeit im Himmel» zwischen den Autobauern Daimler und Chrysler aus dem Jahr 1998 in den Schatten stellen. Damals ging es um ein Angebotsvolumen von 38,6 Milliarden Dollar, wie etwa der britische Wirtschaftsprofessor John Colley von der Warwick Business School erklärte. Die Übernahme des US-Telekommunikationsanbieters Voicestream im Jahr 2000 kostete die Deutschen Telekom mit rund 50,7 Milliarden US-Dollar - und damit ebenfalls weniger als der geplante Monsanto-Deal.
Was treibt den deutschen Konzern?
Für Bayer wäre es der große Wurf. Auf einen Schlag würden die Leverkusener zur Nummer eins auf den Märkten für Saatgut und Pflanzenschutz aufsteigen. Bayer würde sich so wichtige Schlüsseltechnologien etwa bei genverändertem Saatgut bei weiteren Anwendungen erschließen. In Kombination mit den klassischen Unkraut-, Pilz- und Schädlingsvernichtern könnte so eine geballte Macht entstehen. Angst vor einem nachhaltigen Imageschaden angesichts des nicht besonders guten Rufs von Monsanto hat Bayer offenbar nicht: Vorstandschef Werner Baumann gab sich überzeugt, Reputationsprobleme in den Griff bekommen zu können. Analyst Peter Spengler von der DZ Bank sprach von einer «historischen Chance».
Auch in den Umbau des Konzerns passt der Schritt. So würde Bayer den Wandel vom chemisch-pharmazeutischen Mischkonzern zum Spezialisten rund um die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze abrunden. Das Gesundheits- und Agrarchemiegeschäft wäre gemessen am Umsatz in etwa gleich groß. Bayer hat sich in zwei großen Schritten vom klassischen Chemiebereich getrennt. Auf die Abspaltung von Lanxess folgte 2015 der Börsengang der Kunststofftochter Covestro.
Was denken Anteilseigner und Branchenexperten?
Für etliche Bayer-Aktionäre ist die geplante Übernahme zunächst eher eine bittere Pille: Händler und Analysten bezeichneten den gebotenen Preis von 122 Dollar in bar je Monsanto-Aktie als recht hoch. Zudem bereitet ihnen die noch ausstehende Reaktion von Monsanto Kopfzerbrechen. «Es könnte noch einiges passieren, bevor diese Transaktion durchgeht», warnte Commerzbank-Experte Daniel Wendorff.
Berenberg-Analyst John Klein hätte statt einer Bar-Offerte eher ein Gemeinschaftsunternehmen erwartet. Ulrich Huwald vom Analysehaus Warburg sieht das Risiko einer Übernahmeschlacht. Auch einzelne Großaktionäre hatten sich zuletzt verschnupft gezeigt. Der Kurs der Bayer-Aktie sackte auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2013 ab.
Welche Rolle spielt die Verschuldung?
Die Mega-Übernahme würde die Verschuldung der Leverkusener zumindest kurzfristig kräftig in die Höhe treiben. Angesichts der globalen Niedrigzinsen und eines erwarteten robusten Barmittelzuflusses aus dem laufenden Geschäft erscheint dies vielen Experten aber tragbar. Laut Analysten dürfte die Bayer-Verschuldung zunächst auf mehr als 40 Milliarden Euro klettern. Durch die Übernahme der rezeptfreien Mittel des US-Konzerns Merck liegt sie bereits bei rund 16 Milliarden Euro.
Und was sagen die Behörden?
Trotz der schieren Größe dürfte die geplante Übernahme bei den Kartellbehörden auf vergleichsweise wenig Widerstand stoßen. So ist Monsanto vor allem in Amerika stark, Bayer in Europa und Asien, ein Monopol droht dort daher kaum. Nur bei einzelnen Agrargütern wie Mais könnten Überlappungen die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen. Sie dürften aber wohl nur bei einzelnen Produkten Anpassungen verlangen, erwarten Experten. Auch danach bleibt der Wettbewerb angesichts der jüngsten Fusionswelle hoch. So will das chinesische Unternehmen ChemChina den schweizerischen Konzern Syngenta für 43 Milliarden Dollar schlucken. Die US-Konzerne Dow Chemical und Dupont planen den größten Zusammenschluss der Chemiebranche. Sie würden damit zunächst einmal den Branchenprimus BASF vom Thron stoßen.