Brexit: Negative Auswirkungen auch im Chemiesektor?

Insolvenzen in Deutschland würden durch einen Brexit steigen

30.05.2016 - Deutschland

Die größten Verlierer eines Brexits wären zwar die Briten selbst, aber der Ausstieg hätte auch auf europäische Staaten negative Auswirkungen und würden zum Teil zu Einbußen beim Bruttoinlandsprodukt, weniger Exporten und vor allem auch zu mehr Insolvenzen führen. Allen voran die deutschen Exporteure wären betroffen. Ein möglicher Brexit wäre für sie ein kleiner Albtraum: Fast 7 Milliarden (Mrd.) Euro an Exporten gingen für sie bis 2019 verloren im Falle eines „harten Ausstiegs“ ohne Handelsabkommen. Auch die Insolvenzen in der Bundesrepublik würden dadurch zusätzlich steigen. Aber selbst bei Abschluss eines Handelsabkommens kämen signifikante Einbußen auf sie zu - insbesondere auf die Automobilindustrie, den Maschinenbau und den Chemiesektor. Zu diesem Schluss kommt Euler Hermes in seiner aktuellen Studie „Brexit: What does it mean for Europe?“.

Euler Hermes

Deutsche Exporteure würden die größten Einbußen erleiden bei den Ausfuhren.

Allein durch Brexit: Anstieg der Insolvenzen in Deutschland um 1,2 Prozentpunkte

„Die deutschen Exporteure wären mit Abstand die größten Verlierer eines Brexits“, sagte Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Chinesische und niederländische Exporteure würden bis 2019 zwar ebenfalls jeweils rund 3,2 Mrd. Euro an Ausfuhren verlieren – bei den Deutschen wären es allerdings mehr als doppelt so viele. Besonders betroffen wäre die deutsche Automobilindustrie. Ganze 2 Mrd. Euro fehlende Ausfuhren würden bis 2019 auf ihr Konto gehen, bei den Maschinenbauern wären es rund 1 Mrd. Euro und beim relativ stark vom britischen Markt abhängigen Chemiesektor 1,1 Mrd. Euro. Das bliebe nicht ohne Folge: Wir erwarten für diesen Fall allein durch den Brexit einen Anstieg der Insolvenzen in Deutschland um zusätzlich rund 1,2 Prozentpunkte.“

Selbst mit Freihandelsabkommen wären für deutsche Exporteure € 5 Mrd. in Gefahr

Selbst bei einem „weichen Ausstieg“ wären bis 2019 insgesamt mehr als 5 Mrd. Euro an Ausfuhren in Gefahr – der Anstieg der Insolvenzen wäre in diesem Fall jedoch moderater und läge bei unter einem Prozentpunkt (pp).

Beim deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) wären bei einem harten Ausstieg bis 2019 zwischen -0,3 und -0,4pp gefährdet, beim weichen Szenario mit Freihandelsabkommen etwa -0,2pp.

Größte wirtschaftliche Verlierer in der EU: Niederlande, Irland und Belgien

„Insgesamt wären die wirtschaftlichen Verlierer auf EU-Seite vor allem die Niederlande, Irland und Belgien – noch vor Deutschland, Frankreich und den USA“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „Bis 2019 würden Insolvenzen dort durch einen Brexit um jeweils bis zu 2,5%, 2% und 1.5% höher ausfallen als ohne Ausstieg. Auch der Negativeffekt auf das BIP wäre stark. Die Niederlande würden bis zu 2,4pp ihres Wirtschaftswachstums einbüßen im harten Szenario und selbst mit Handelsabkommen wären es -1,5pp. Der größte Effekt käme von finanziellen Abhängigkeiten durch Holdingstrukturen niederländischer Firmen, aber auch Chemie-, Lebensmittel- und Elektronikexporteure wären besonders betroffen.“

Großbritannien selbst würde ein möglicher Brexit jedoch weiterhin am härtesten treffen. Die Negativauswirkungen würden sich dabei sukzessive in den drei Jahren nach dem Ausstieg zeigen und ihren Höhepunkt erst 2019 erreichen.

Großbritannien: Im „Worst Case“ bis 2019 zusätzliche 1.700 Pleiten und Rezession

„Im schlimmsten Fall kämen auf die Briten durch einen Brexit bis 2019 weitere 1.700 Pleiten zu – zusätzlich zu den derzeit prognostizierten rund 20.300 Fällen pro Jahr, die das Land auch ohne den Brexit bereits verzeichnet“, sagte Subran. „Selbst mit Freihandelsabkommen wären es noch 1.500 zusätzliche Insolvenzen. Hinzu kämen in 2019 ein Rückgang der Exporte um 30 Mrd. Pfund (GBP  -9 Mrd. mit Handelsabkommen), eine Abwertung des britischen Pfunds um mehr als 20% (mehr als -10% mit Handelsabkommen) und Einbußen von rund 3pp beim BIP. Im Jahr 2019 wäre das Land durch einen Brexit ohne Freihandelsabkommen mit der EU in einer Rezession. Das BIP würde um 1,3% schrumpfen und selbst mit einem Abkommen mit einem marginalen Zuwachs von lediglich 0,2% stagnieren.“

Vorsicht vor Dominoeffekt: Rückläufige Margen und Umsätze britischer Unternehmen

„Die zusätzlichen Pleiten in Großbritannien wären für deutsche Exporteure ein wachsendes Risiko“, sagte Van het Hof. „Finanziell schwächere Unternehmen könnten einen Dominoeffekt auslösen, denn mit schlimmstenfalls um 1% rückläufigen Umsätzen und um 2pp schrumpfenden Margen könnten einige britische Firmen ins Trudeln geraten und ihre Zulieferer mitziehen. Selbst mit Handelsabkommen müssten sie kämpfen, denn die Margen würden auch dann bis 2019 um 1pp sinken und die Umsätze auf 1,2% zurückgehen von etwa 2% in 2016. Einen solchen Rückgang muss man als Unternehmen erst einmal ausgleichen.“

Britische Börse spürt bereits die Angst der Investoren: Portfolio-Investitionen sinken seit 2015

Londons Rolle als führender Finanzmarktplatz wäre zudem gefährdet. Die Unsicherheit bei Investoren ist schon seit 2015 groß und die britische Börse spürt bereits die Auswirkungen des drohenden Brexits: 85 Mrd. britische Pfund (GBP) an Portfolio-Investitionen blieben zwischen dem 1. und 3. Quartal 2015 aus. Rund 40% davon – also etwa 34 Mrd. GBP – entfallen nach Einschätzungen von Euler Hermes Volkswirten auf die Angst vor dem britischen EU-Ausstieg. Dieser Trend dürfte sich seither fortgesetzt beziehungsweise sogar noch verstärkt haben.

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