Bilfinger räumt auf - und verkauft sein «Tafelsilber»
Das Traditionsunternehmen wird immer kleiner
(dpa) Bilfinger will sich wieder einmal neu erfinden - und stößt dafür seine profitabelste Sparte ab. Mit den Bau- und Industriedienstleistungen geht ein Herzstück des einst stolzen Baukonzerns über den Verkaufstisch. Dahinter steckt die Hoffnung, dass Teile des Unternehmens mehr wert sind als das große Ganze. Der Konzern ist seit Jahren im Umbruch - und in der Krise. Aktionäre beklagten auf der jüngsten Hauptversammlung eine fehlende Strategie.
Mit dem Verkauf der zentralen Sparte für 1,2 Milliarden Euro ist zwar erst einmal frisches Geld im Unternehmen. Gewerkschaftsvertreter schütteln über die Entscheidung trotzdem den Kopf. «Wir denken, dass es ein Fehler ist, das Tafelsilber auf den Markt zu werfen», sagt ein Sprecher der IG BAU. «Da müssen sie mal erklären, was daran positiv sein soll.» Die Mitarbeiter seien schon seit langem in einer Zitterpartie. «Für die Beschäftigten ist es eine kontinuierliche Unruhe und wir wünschen uns eine stärkere Stabilisierung.» Im Zuge der Umstrukturierung werden bei Bilfinger auch Arbeitsplätze verloren gehen, wie Finanzchef Axel Salzmann sagt, ohne Details zu nennen.
«Der Verkauf ist die beste Option für Bilfinger», betont er. Die Zukunft des Konzerns sieht Salzmann in Themen wie Digitalisierung, etwa bei der Wartung von Industrieanlagen. Wachstumsmöglichkeiten liegen ihm zufolge vor allem bei Pharma, Chemie und Lebensmitteln. Dabei sieht der Konzern seinen Schwerpunkt in Europa, will seinen Kunden aber auch folgen. Das frische Geld soll neue strategische Möglichkeiten bieten, um gezielt zu investieren. Festgezurrt werden sollen die Pläne aber erst, wenn der neue Vorstandschef Thomas Blades seinen Dienst antritt. Er soll spätestens im dritten Quartal dieses Jahres kommen.
Die Veräußerung der wichtigen Sparte setzt einen Schlusspunkt unter die Vision von Ex-Konzernchef Roland Koch von einem umfassenden integrierten Dienstleister. Hessens ehemaliger Ministerpräsident hatte bei Bilfinger große Pläne: Er wollte den Traditionskonzern zu einem eng verzahnten Dienstleister rund um Industrieanlagen, Kraftwerke und Gebäude in weiten Teilen der Welt ausbauen.
Viel Geld steckte er dafür in Zukäufe. Zudem zentralisierte er das Geschäft und stärkte den Auftritt mit einem neuen Logo. Doch die erhofften Impulse blieben aus. Die Energiewende in Deutschland und der Einbruch des Ölpreises brachten wichtige Teile des Konzerns ins Wanken. Auch hausgemachte Probleme im Projektmanagement kamen hinzu. Rekordverluste waren die Folge.
Der Verkauf der Sparte ist ein Punktsieg für den einflussreichen Finanzinvestor Cevian, der 2011 bei Bilfinger eingestiegen war. Inzwischen halten die Schweden fast 26 Prozent der Anteile an Bilfinger. Damit können sie wichtige Entscheidungen der Mannheimer blockieren. Die Beteiligungsgesellschaft gilt als Investor, der sich aktiv in die Firmengeschicke einmischt. Das kann schon einmal sehr unangenehm für Top-Manager werden: Nach einer beispiellosen Serie von Gewinnwarnungen hatte sich der Bilfinger-Aktienkurs halbiert. Entsprechend harsch war die Reaktion des als kämpferisch geltenden Finanzinvestors Cevian: 2014 betrieb er Kochs Abgang.
Aufsichtsratschef Eckhard Cordes erklärt: «Ich bin überzeugt, dass der neue Vorstand um Tom Blades dem Aufsichtsrat attraktive Investitionsmöglichkeiten vorlegen wird, die das Unternehmen langfristig stärken. Und ich bin mir sicher, dass Cevian als Ankeraktionär dieses Vorgehen unterstützt.»
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