Helfer auf Zeit

Bioabbaubare Composites für die Medizintechnik

24.06.2016 - Deutschland

Evonik forscht an bioabbaubaren Composite-Materialien, die künftig Implantate aus Metall bei Knochenbrüchen ersetzen können. Die Implantate dienen der Fixierung der Knochen bis zur Heilung des Bruchs. Während Implantate aus Metall normalerweise im Körper verbleiben oder in einer weiteren Operation entfernt werden müssen, arbeiten die neuen Composite-Materialien von Evonik als Helfer auf Zeit. Sie bestehen aus Polymeren, die der Körper selbst abbauen kann, und Substanzen, die natürlicherweise im Knochen vorkommen. Auch wenn die Forscher von Evonik mit ihren Arbeiten an den bioabbaubaren Composites noch ganz am Anfang stehen, die Vorteile für den Patienten sind klar: keine weitere Operation zur Entfernung des Implantats und eine natürliche Regeneration der Knochen.

Das Projekt ist eines der Forschungsvorhaben des Projekthauses Medical Devices in Birmingham (Alabama, USA). Dort arbeiten über 20 Evonik-Forscher derzeit an Materialien und Lösungen für die Medizintechnik. Ziel sind vor allem Anwendungen in der Implantattechnologie. Die Vision der Forscher formuliert Dr. Andreas Karau, Leiter des Projekthauses: „Langfristig haben wir die regenerative Medizin im Blick: Wir wollen Bioimplantate schaffen, um geschädigtes Gewebe im Körper durch gesundes ersetzen zu können. Unsere aktuellen Arbeiten an den bioabbaubaren Composites sind hierfür ein erster Schritt.“

In der Medizintechnik werden leistungsfähigere bioabbaubare Materialien gebraucht. Alleine der Bedarf für Implantate zur Stabilisierung von Knochen nach Brüchen ist groß: Osteoporose verursacht weltweit jedes Jahr mehr als 8,9 Millionen Knochenbrüche. Weltweit hat der Markt für Medizintechnik ein Volumen von 300 Milliarden € und wächst jährlich um rund 6 Prozent. Die USA haben mit 40 Prozent den weitaus größten Marktanteil, und US-amerikanische Firmen sind vor allem im Bereich Implantattechnologie führend. Weitere wichtige Medizintechnikmärkte sind Europa und Japan.

„Durch unsere führende Position im Bereich der Polymere auf Polymilchsäurebasis haben wir eine exzellente Ausgangsposition, geeignete Materialien und Lösungen für eine regenerative Medizin zu entwickeln“, sagt Karau. Die Polymere werden im Körper komplett zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut. Die Abbauzeit lässt sich durch Zusammensetzung, Kettenlänge und Kristallisationsgrad des Polymers gezielt steuern. Sie kann zwischen wenigen Wochen und etlichen Monaten betragen – Zeit genug für Knochen oder andere Gewebe, sich zu regenerieren.

Medizinproduktehersteller verwenden die Polymere, die Evonik im Geschäftsgebiet Health Care unter dem Namen RESOMER® vermarktet, heute bereits zur Produktion von bioabbaubaren Schrauben, Stiften und kleinen Platten. Damit werden vor allem gerissene Bänder im Knie- oder Schultergelenk fixiert und vereinzelt auch Brüche kleinerer Knochen in Fingern oder im Gesichtsschädel versorgt.

„Für die Anwendung bei großen, tragenden Knochen fehlt es den derzeit verfügbaren Materialien allerdings noch an Festigkeit“, erklärt Karau. Die Forscher im Projekthaus Medical Devices beschäftigen sich deshalb mit Composite-Materialien, bei denen die bioabbaubaren Polymere durch anorganische Substanzen wie zum Beispiel Derivate von Calciumphosphat verstärkt werden.
Diese sollen die Materialien nicht nur härter machen, sondern auch ihre Biokompatibilität verbessern. „Calcium und Phosphat können beim allmählichen Abbau des Polymers zur Bildung von Knochenmaterial verwendet werden“, beschreibt Karau die Idee.

Doch die Überlegungen der Forscher gehen noch weiter: Auf der Basis geeigneter Materialien wäre es sogar möglich, patientenspezifische Implantate, das heißt maßgeschneiderte Knochenstücke, im 3D-Druck herzustellen. Die Evonik-Wissenschaftler in Birmingham haben sich vorgenommen, die bioabbaubaren Polymere für derartige Verfahren tauglich zu machen.

„Langfristig denken wir auch daran, Polymermatrizes zu schaffen, die mit lebenden Zellen besiedelt werden können, also echte biologische Implantate“, so Karau. Damit ließen sich dann etwa Knorpelgewebe erneuern oder geschädigte Herzmuskelzellen durch gesunde ersetzen. Aber vorher muss vor allem die Biokompatibilität der Materialien verbessert werden.

Evonik Industries AG

Vom Granulat zum Implantat: Evonik entwickelt Polymere im Hinblick auf gewünschte Anwendungseigenschaften. Medizinproduktehersteller fertigen daraus Implantate wie beispielsweise Schrauben.

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