"Bausteine des Lebens" können auch unnatürlich sein

Chemiker entdecken einfache Reaktion zur Herstellung von Aminosäuren

04.07.2016 - Österreich

Aminosäuren gelten als Bausteine des Lebens und haben aufgrund ihrer individuellen Struktur sehr spezielle Charakteristika. Chemiker der Universität Wien um Nuno Maulide gelang es, so genannte unnatürliche Aminosäuren herzustellen, die wichtige Komponenten für die Arzneimittelforschung sein können. Um diese komplexe chemische Reaktion zu verstehen, führte ein Team von theoretischen Chemikern um Leticia González aufwändige Computersimulationen durch.

Copyright: Universität Wien

Ein Keteniminium-Ion, eine hochenergetische Spezies in der Organischen Chemie, kann durch Abspaltung von Stickstoff direkt zu Aminosäurederivaten umgewandelt werden.

Aminosäuren sind organische Verbindungen, bestehend aus einer Amino- und einer Säurefunktion, die – wenn sie sich mit weiteren Aminosäuren koppeln – lange Sequenzen bilden: so genannte Proteine. Abgesehen von Proteinen spielen Aminosäuren zum Beispiel auch bei der Biosynthese, im Metabolismus oder als Neurotransmitter eine große Rolle. "Es sind rund 500 Aminosäuren bekannt, die sich nur in den so genannten Seitenketten unterscheiden. Diese befinden sich exakt zwischen der Amin- und der Säurefunktion des Moleküls", sagt Nuno Maulide, Professor für organische Synthese an der Universität Wien.

Die exakte Struktur dieser Seitenketten gibt jeder Aminosäure einen sehr speziellen Charakter. Deshalb suchen Chemiker neue Wege, um so genannte "unnatürliche" Aminosäuren zu schaffen. Diese "künstlichen" Aminosäuren sind nichts anderes als Verbindungen ähnlicher Struktur, die jedoch sehr interessante oder nützliche Eigenschaften haben können. "Unnatürliche Aminosäuren sind außerordentlich wichtige Komponenten in der modernen Arzneistoffforschung. Ihre strukturelle als auch funktionelle Vielfältigkeit hilft uns dabei, biologische Systeme besser zu verstehen", erklärt Nuno Maulide.

Moleküle wie Bausteine verwenden

Die Arbeitsgruppe von Maulide hat einen einfachen Weg zur direkten Herstellung von Aminosäurederivaten entwickelt, welche direkt in Polypeptid oder Proteinstrukturen eingebunden werden könnten. "Seit 2009 untersuchen wir die Reaktivität von hochenergetischen Spezies mit dem Namen Keteniminium-Ionen, die einfach aus Amiden generiert werden können", so Nuno Maulide. "Nun haben wir herausgefunden, dass man sie in einem simplen und flexiblen Schritt direkt zu Aminosäurederivaten umwandeln kann", betont der portugiesische Forscher. "Im Prinzip machen wir es wie mit einem Baukasten: Wir nehmen ein Amid, trennen eine C-H-(Kohlenstoff-Wasserstoff-) Bindung und setzen stattdessen eine Aminogruppe dran – und das mit praktisch unendlich vielen Kombinationsmöglichkeiten“, scherzt Maulide.

Eine Kooperation mit Verlust von Stickstoff

Das Reagenz, das das Einschleusen der Aminogruppe ermöglicht, ist ein organisches Azid. Azide sind reaktive Substanzen, die eine Aminogruppe übertragen können – die treibende Kraft der Reaktion ist die Abspaltung von Stickstoff, der dabei verlorengeht. "Dank computergestützter Chemie konnten wir dieses Phänomen besser verstehen", erklären Veronica Tona und Aurélien de la Torre vom Institut für Organische Chemie der Universität Wien. "Die theoretische Chemie kann dabei helfen, den Verlauf von komplexen chemischen Reaktionen zu verstehen oder sogar zu steuern", ergänzt Leticia González, Professorin für theoretische Chemie an der Universität Wien. "Das ist eine win-win Situation für beide Seiten und das Ganze ist, wie bereits von Aristoteles gesagt, mehr als die Summe seiner Teile“, zitiert Nuno Maulide.

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