Neonikotinoide bedrohen Wildbienen und Schmetterlinge

Weniger Bienen, schrumpfende Schmetterlingsbestände - Forscher glauben, dass dafür auch Pflanzenschutzmittel verantwortlich sind

18.08.2016 - Großbritannien

(dpa) Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Neonikotinoide können Studien zufolge nicht nur Honigbienen, sondern auch Wildbienen und Schmetterlinge gefährden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten zwei Forscherteams jetzt in Fachjournalen.

uroburos, pixabay.com, CC0

Eine Studie des britischen Zentrums für Ökologie und Hydrologie (NERC) legt einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Neonikotinoiden und dem Rückgang von Wildbienen-Populationen nahe. Für die Untersuchung analysierten Forscher um den Insektenkundler Ben Woodcock, wie sich der großflächige Einsatz von Neonikotinoiden auf 62 Wildbienen-Arten in Großbritannien von 1994 bis 2011 auswirkte. 2002 waren die Pestizide dort erstmalig zugelassen worden. Sie konnten dabei auf die Daten der «The Bees, Wasps and Ants Recording Society» zurückgreifen, eines Verbandes von Naturfreunden, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts akribisch Informationen über Bienen, Wespen und Ameisen auf den britischen Inseln sammeln.

Das Ergebnis der im Fachblatt «Nature Communications» veröffentlichten Analyse: Bei Wildbienen-Arten, die sich vorrangig von mit Neonikotinoiden behandeltem Raps ernähren, schrumpften die Populationen drei Mal stärker als bei jenen Arten, die andere, nicht behandelte Pflanzen bevorzugen. Bei fünf der untersuchten Wildbienen-Arten könne man sogar davon ausgehen, dass der Einsatz der Mittel 20 Prozent der lokalen Populationen vernichtet habe. «Als blühendes Getreide ist Raps sehr nützlich für bestäubende Insekten», erklärt Woodcock in einer Mitteilung. «Dieser Nutzen scheint aber durch die Effekte der Neonikotinoid-Behandlung für eine ganze Reihe von Wildbienen-Arten mehr als aufgehoben.» Wildbienen leben - im Gegensatz zu den Honigbienen - meist als Einzelgänger.

Nach Ansicht des Neurobiologen Randolf Menzel, der zu den führenden Bienenforschern Deutschlands zählt, zeigt die Studie, wie groß der Einfluss der Neonikotinoide wirklich ist - und das über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum. «Bei experimentellen Studien wird oft bezweifelt, wie aussagekräftig diese für das gesamte Ökosystem sind», so Menzel. Jene Zweifel würden nun widerlegt. Er sieht sich in seiner Grundannahme über die Wirkweise der Nervengifte bestätigt. Der Neurobiologe hatte in seiner Forschung an der Freien Universität Berlin bereits belegt, dass Bienen schon nach kleinsten Dosen der Insektizide ihre Orientierung und ihr Gedächtnis verlieren.

Für die britische Studie hätte er sich eine genauere Aufschlüsselung der verwendeten Neonikotinoide gewünscht: So seien etwa Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in Großbritannien seit vergangenem Jahr wieder zugelassen. «Bei eben jenen drei ist sehr wahrscheinlich, dass sie großen Schaden anrichten», erklärt Menzel. Andere Experten betonen, dass auch andere Gründe für den Rückgang von Bienen-Populationen gibt, darunter die Varroamilbe.

Mainzer und Frankfurter Wissenschaftler hatten kürzlich entdeckt, dass Neonikotinoide selbst in geringen Konzentrationen den im Futtersaft von Ammenbienen enthaltenen Botenstoff Acetylcholin vermindern. Das Signalmolekül ist für die Larvenaufzucht von Honigbienen wichtig. «Unsere Forschungsergebnisse bestätigen das von Neonikotinoiden ausgehende Risiko für die Brutentwicklung von Honigbienen», sagte Professor Ignatz Wessler vom Institut für Pathologie an der Universitätsmedizin Mainz. Die Ergebnisse ihrer Forschung veröffentlichten die Wissenschaftler aus Mainz und der Frankfurter Universität in der Fachzeitschrift «Plos One».

Nicht nur Bienen scheinen unter den Mitteln zu leiden: Eine Studie aus den USA legt nahe, dass der Bestand von Schmetterlingen mindestens ebenso durch die Pestizide bedroht ist wie durch die fortschreitende Vernichtung ihres Lebensraums. Die Forscher um den Biologen Matthew Forister von der Universität von Nevada untersuchten das Vorkommen von 67 Schmetterlingsarten in Nordkalifornien anhand von Daten aus den vergangenen 40 Jahren. Das Ergebnis: Die Zahl der Schmetterlingsarten geht dramatisch zurück - und das vor allem seit 1995, als Neonikotinoide in der Region erstmals eingesetzt wurden.

Neonikotinoide wirken als Fraß- oder Kontaktgift auf die Nervenzellen von Insekten und sollen Pflanzen sowohl vor saugenden als auch beißenden Schädlingen schützen. Bei ihrer Einführung galten sie noch als besonders schonende Pestizide, die gut von Pflanzen über deren Wurzeln in die Blätter aufgenommen werden. Mit dieser systemischen Wirkung werden sie bevorzugt als Saatgutbeizmittel verwendet - und das präventiv, wie Randolf Menzel kritisiert: «Sie werden eingesetzt, ohne dass es schon einen Schaden oder Befall gibt», beschreibt der Bienenforscher. «Das ist, als würden alle Menschen immer Antibiotika nehmen, um keine Lungenentzündung zu bekommen.»

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