Ölunfälle vor der deutschen Küste: Auf der Suche nach der besten Bekämpfungsstrategie

BfR veröffentlicht wissenschaftliche Grundlage für eine Bewertung des Einsatzes von Dispergatoren

24.08.2016 - Deutschland

Welchen Nutzen und welche Risiken birgt der Einsatz von Dispergatoren? Diese und weitere Fragen behandelt der kürzlich in der Reihe BfR-Wissenschaft erschienene Bericht „The use of dispersants to combat oil spills in Germany at sea”. Experten hatten sich bei einem internationalen Workshop am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit dem Thema befasst. Um die Auswirkungen von Ölunfällen auf See abzumildern, können verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen, beispielsweise auch die Verwendung von Dispergatoren. Dabei handelt es sich um Stoffgemische, mit deren Hilfe Ölfilme an der Wasseroberfläche aufgebrochen und in feine Tröpfchen – sogenannten Dispersionen – zerlegt werden sollen. „Ob Dispergatoren eingesetzt werden sollten, kann nach dem derzeitigen Stand des Wissens nicht immer eindeutig entschieden werden“, sagt Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Hier sollten entsprechende Szenarien betrachtet werden. Nutzen und Risiken sollten im Rahmen einer strukturierten Analyse bewertet und abgewogen werden.“ Mit dem vorliegenden Workshop-Bericht wird der aktuelle Stand des Wissens dokumentiert. Damit steht nun eine Grundlage zur Entwicklung einer Entscheidungsstrategie für die Verwendung dieser Stoffgemische an deutschen Küsten zur Verfügung.

Ölunfälle auf See können verheerende Auswirkungen auf die Meeresumwelt, Küstengebiete und die menschliche Gesundheit haben. Neben mechanischen Methoden, wie Ölsperren oder die Aufnahme des Öls, kommen bei solchen Unfällen als Gegenmaßnahmen auch chemische Verfahren in Frage – beispielsweise der Einsatz von Dispergatoren. Dieser Begriff bezeichnet solche Stoffgemische, die zum Aufbrechen von Ölfilmen an der Wasseroberfläche führen und die Bildung von Dispersionen fördern. Seevögel und Küsten sollen so möglichst nicht oder kaum noch mit dem Öl in Kontakt kommen. Darüber hinaus kann die Vergrößerung der Oberfläche des Öls natürliche Abbauprozesse beschleunigen.

Die Dispersion im Wasser erhöht allerdings auch die Bioverfügbarkeit der Ölbestandteile. Daraus können sich zusätzliche oder andere Risiken für Mensch und Umwelt ergeben. Diese Situation wurde bei der Bekämpfung der Havarie der Ölförderanlage Deepwater Horizon im Golf von Mexiko in den letzten Jahren deutlich. Toxische Effekte auf wasser- und sedimentbewohnende Organismen verstärken sich. Beim Einsatz von Dispergatoren sollten auch die Risiken für Einsatzkräfte und betroffene Anwohner beachtet werden, die zusätzlich, vor allem bei aufgewühlter See, mit gesundheitsschädlichen Aerosolen belastet werden können. Die Verwendung von Dispergatoren zur Bekämpfung von Mineralöl nach Schiffshavarien wird deshalb international kontrovers diskutiert. Eine wissenschaftliche Risikobewertung für deutsche Küstengewässer liegt bisher noch nicht vor. Der nun erschienene Bericht, der die Ergebnisse eines internationalen Workshops zugänglich macht, liefert dafür jedoch eine solide Grundlage.

Der Bericht zeigt, dass Meeresströmungen für einen möglichen Erfolg von Dispergatoren entscheidend sind. Mit Strömungssimulationen konnten Regionen in der Deutschen Bucht identifiziert werden, wo der Einsatz von Dispergatoren im Falle eines Ölunfalls von Vorteil sein könnte – insofern, als dass Verunreinigungen in besonders empfindlichen Bereichen verhindert werden könnten. Bisher liegt dafür jedoch noch keine vollständige Analysestrategie vor, die Nutzen und Risiken für Mensch und Umwelt systematisch auf wissenschaftlicher Grundlage auswerten kann (net environmental benefit analysis, NEBA). Die Untersuchungen zeigen dennoch, für welche Regionen der Nordsee solche Analysen sinnvoll sein könnten.

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