Die Geburt des Partikels
Experiment zeigt Mechanismus der Partikelbildung ausgehend von gelösten molekularen Bausteinen auf
Eine der Hauptaufgaben der Chemie ist, die Bildung von Materialien zu kontrollieren beziehungsweise neue Materialien maßzuschneidern. Um die dabei angewandten Synthesen zu optimieren, ist es von grundlegender Bedeutung zu verstehen, wie der Phasenübergang von der Lösung zum Partikel funktioniert. Im Arbeitsbereich des Chemikers Dr. Denis Gebauer ist es nun im Rahmen einer internationalen Kooperation gelungen, am Beispiel des Eisenoxids, das bedeutende Anwendungen im Bereich der Medizin, Katalyse und Sensorik hat, diese „Geburt“ der Partikel im Detail beobachtbar zu machen. Die Doktorandin Johanna Scheck hat ein Experiment entwickelt, mit dem die hohe Reaktivität der Eisen(III)-Ionen in den Griff bekommen werden kann, wodurch die einzelnen Stadien bei der Entstehung von Eisenoxidpartikeln analysierbar werden.

Experiment, bei dem durch langsame Zugabe verschiedener Lösungen die Reaktion gestartet, kontrolliert und untersucht werden kann.
Universität Konstanz
„Das ist fundamentale physikalische Chemie“, beurteilt Denis Gebauer, Research Fellow am Zukunftskolleg der Universität Konstanz, die Arbeit der Doktorandin Johanna Scheck. Zumal die experimentellen Bemühungen zur Verlangsamung der hohen Reaktivität von Eisen(III) sowie der Umfang der eingesetzten Analytik nicht unerheblich waren. Selbst ein Besuch am ALBA-Synchrotron in der unmittelbaren Nähe von Barcelona gehörte zu den Maßnahmen. In einem speziellen Beschleunigerring wurde die Größenverteilung und Wechselwirkung von Partikeln in den einzelnen "Geburtsstadien" gemessen. Die entscheidende Modifikation im Vergleich zu früheren Studien besteht in dem stark verlangsamten Ablauf der Mischung, dessen Umsetzung einige Tricks und Kniffe verlangte. Nur einige Hundert Nano-Liter Eisenlösung fließen pro Minute in die Reaktionslösung. Ein Nanoliter entspricht einem Tausendstel Mikroliter. Zum Vergleich: Ein Regentropfen hat einige Hundert Mikroliter. Damit arbeitet das Konstanzer Experiment mit einer tausendmal kleineren Dosierung pro Minute als vorherige Experimente.
In dem Experiment von Johanna Scheck wurde außerdem noch etwas anders gemacht als in seinen zahlreichen Vorgängern: Die Reihenfolge, in der die Komponenten der Reaktion zugegeben wurden, wurde im Konstanzer Experiment umgedreht. Die Idee dahinter: Anstatt die Reaktion in einer Eisenlösung ablaufen zu lassen, wird die Eisenlösung langsam dem Reaktionsmedium zugefügt und so stark verdünnt. Dadurch lässt sich die Reaktion besser kontrollieren, weil die Stoffmenge an Eisen im Reaktionsgemisch sehr gering ist und so die Reaktion limitiert.
So konnte erreicht werden, dass die Reaktion des Eisen(III)-oxids nicht sofort das System bis zum Stadium eines Partikels durchläuft, sondern dass die einzelnen Stadien der „Geburt“ der Partikel separiert und mit einer Vielzahl von Methoden analysiert werden können. Dabei konnte die Reihenfolge der grundlegenden chemischen Mechanismen mit dem physikalischen Mechanismus der Phasenseparation in direkte Verbindung gebracht werden. Die Reaktion startet zunächst in einem chemischen Gleichgewicht, das zur Bildung von gelösten, kleinsten Ionen-Zusammenschlüssen – sogenannten Pränukleationsclustern – führt. Erst eine nachfolgende Reaktion, bei der diese Pränukleationscluster verdichtet werden, ist grundlegend für die eigentliche Phasenseparation. Bei (zu) schnellen Mischvorgängen laufen beide Mechanismen quasi parallel und damit ununterscheidbar ab.
So konnte durch das Experiment eine Diskussion, die seit den 1970er Jahren geführt wird, zumindest für das Eisen(III)-oxid entschieden werden. Es hat sich gezeigt, dass die Reaktion nicht spontan bis hin zum Partikel abläuft, wie weitläufig angenommen wurde. Der Nukleationsmechanismus, der beim ersten Teilprozess des Phasenübergangs wirkt, basiert dabei auf den oben erwähnten Pränukleationsclustern.
Ist der grundlegende Mechanismus dieser „Geburt“ von Partikeln verstanden, stehen ganz neue Möglichkeiten zur Verfügung. „Wir versuchen nun, die Einblicke, die wir in dieser grundlegenden Arbeit gewonnen haben, für das gezielte Design von Materialeigenschaften anzuwenden“, erklärt Denis Gebauer.
Originalveröffentlichung
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