Durchbruch: Erstmals leitfähige Tenside synthetisiert

Forscher statten Tenside mit neuen Eigenschaften aus

29.11.2016 - Deutschland

Tenside sind interessante Moleküle, die jeder täglich anwendet – sie bilden etwa die Grundlage für Waschmittel oder Emulgatoren. Die bekannten Tenside, die eine wasserlösliche (hydrophile) und eine öllösliche (hydrophobe) Gruppe in einem Molekül vereinen, sind rein organische Verbindungen. Zu ihren speziellen Eigenschaften gehört unter anderem die Fähigkeit, sich bei einer bestimmten Konzentration zu höher organisierten Strukturen zusammenzulagern. Eine dieser Strukturen ist die sogenannte Mizelle. Sie bildet sich dadurch, dass sich in wässriger Lösung die wasserlöslichen Gruppen nach außen, die hydrophoben nach innen orientieren. Bei Waschmitteln führt das dazu, dass Schmutz von der Kleidung abgewaschen wird und sich im Inneren der Mizellen einlagern kann – und mit dem Abwasser entsorgt wird.

Die Arbeitsgruppe um den Konstanzer Materialchemiker Prof. Dr. Sebastian Polarz forscht seit 2014 im Rahmen des European Research Council (ERC) Consolidator Grants ‚Inorganic surfactants with multifunctional heads (I-SURF)‘ daran, Tenside mit Eigenschaften auszustatten, die sie originär nicht aufweisen. Jetzt ist es erstmals gelungen, Tenside mit elektrischer Leitfähigkeit zu synthetisieren und diese Leitfähigkeit auch zu belegen. Da Tenside oft eingesetzt werden, um Nanopartikel zu stabilisieren, ist dies eine überaus erwünschte Eigenschaft – unter anderem im Bereich der Entwicklung von Solarzellen.

Gewöhnliche organische Moleküle können den elektrischen Strom nicht leiten, und auch die herkömmlichen Tenside bilden daher eine elektrisch isolierende Hülle. Um einen Elektronentransfer zu ermöglichen, wurden die sogenannten Kopfgruppen und Seitenketten der Tenside neu aufgebaut. Die bekannten Tenside haben als Kopfgruppen etwa Sulfonsäuren oder Ammoniumgruppen und als Seitenketten immer Alkylgruppen – die sich elektrisch isolierend verhalten. Die Arbeitsgruppe um Sebastian Polarz hat nun die Kopfgruppen ersetzt durch sogenannte Polyoxometallate. Diese können mit Elektronen beladen werden, die sich dann in der Kopfgruppe bewegen können. Die Alkylgruppe der Seitenkette wurde ersetzt durch ein konjugiertes π-System, so dass beide Einzelkomponenten für sich gesehen bereits elektrisch leitfähig sind. Im neuen Tensid bildet das Polyoxometallat die wasserlösliche Kopfgruppe und die π-konjugierte Kette die öllösliche Seitenkette, und auch das Tensid als Ganzes ist elektrisch leitfähig – was nachgewiesen werden konnte.

Hinter der Forschung steht die Vision, mizellare Elektrokatalysatoren zu entwickeln. Das heißt, ins Innere einer Mizelle wird ein Katalysator eingebracht, der für seine Funktion auf Strom angewiesen ist und dadurch reguliert werden kann. „Mit unserem System könnte man das jetzt hinbekommen, und das ist auch der große Durchbruch, den wir erreicht haben“, erklärt Sebastian Polarz dazu.

Auch für den Bereich der Solarzellenforschung ist das Ergebnis interessant, da Solarzellen oft aus Nanopartikeln hergestellt werden, die mit Tensiden stabilisiert werden. Durch Backen bei hohen Temperaturen wird dann in der Regel versucht, die isolierende Hülle wieder loszuwerden. Dies ist ein Prozess, bei dem auch ungewünschte Nebeneffekte auftreten können. „Aus der Literatur geht ganz klar hervor, dass Tenside hervorragende Eigenschaften zeigen, die elektrisch isolierende Eigenschaft aber stört. Wir haben jetzt erstmalig elektrisch leitfähige Tenside herstellen können“, fasst Sebastian Polarz zusammen.

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