Platzende Schoten: Molekularer Schalter treibt starke Bewegung durch gegenläufig drehende Spiralen an
Biologische Strategien nachgeahmt
© Wiley-VCH
Inspiriert von den evolutionären Strategien, die die Bewegungen der Pflanzen unterstützen, setzte das Team um Stephen P. Fletcher von der Universität Oxford und Nathalie Katsonis von der Universität Twente (Enschede, Niederlande) zwei Bänder aus flüssigkristallinen Elastomeren zu einem schotenartigen Gehäuse zusammen. Eine durch Licht ausgelöste Änderung der Struktur (Isomerisierung) eines in das Material eingebauten „molekularen Schalters“ treibt die Drehung der zwei Bänder in entgegengesetzte Richtungen an, bis das Gehäuse durch die erzeugte Spannung aufspringt.
„Das ist ein künstliches Material, in dem die kollektive Aktion molekularer Schalter eine rasche, heftige makroskopische Bewegung auslöst“, erläutert Katsonis. „Eine langsame, kontinuierliche Bewegung erzeugt Arbeit über einen größeren Zeitraum und damit eine geringe Leistungsdichte. Wird dieselbe Arbeit in einen kurzen Zeitraum konzentriert, erhält man eine höhere Leistung.“ Mit ihrem pflanzenähnlichen System haben die Forscher gezeigt, dass man molekulare Materialien so programmieren kann, dass sie komplexe Aufgaben erfüllen. Katsonis: „Langfristig hoffen wir, mit Materialien, die der Natur nachempfunden werden, einen Übergang zu anpassungsfähigen, energieeffizienten, nachhaltigen Systemen voranzubringen.“
Das Design der künstlichen Schoten basiert auf quervernetzten Flüssigkristallen, da diese zu richtungsabhängigen (anisotropen) Formveränderungen in der Lage sind. Durch ein zweistufiges Photopolymerisationsverfahren entsteht ein dünner Film aus einem flüssigkristallinen Elastomer, bei dem sich Streifen mit ungeordnetem und Streifen mit hochgeordnetem Zustand der Flüssigkristalle abwechseln. Aus dem Film werden Bänder herausgeschnitten. Werden die Bänder mit UV-Licht bestrahlt, isomerisieren die darin enthaltenen molekularen Schalter aus einer gestreckten in eine gewinkelte Form. Die hochgeordneten Streifen ziehen sich dadurch in Längsrichtung wesentlich stärker zusammen als die ungeordneten.
Was makroskopisch passiert, entscheidet der Schnittwinkel: In 0° oder 90° zur Längsachse geschnittene Bänder biegen sich bei Bestrahlung nur geradlinig. Schnitte in 45° und 135° ergeben helikale Bänder, die sich unter Bestrahlung aufwinden – mit entgegengesetzter Drehrichtung. Die Forscher fügen zwei spiegelbildliche Bänder zusammen. Bei Bestrahlung biegt sich diese Schote entlang ihrer Längsachse, bildet dann eine Röhre entlang der Querachse, bis die Schote aufgrund der Spannung aufspringt. „Die Akkumulation von Spannung in röhrenförmigen Architekturen ist eine elegante Konstruktionsstrategie, die in der Natur verbreitet ist. Hier verstärkt sie die Aktion einiger weniger dynamischer Moleküle und wandelt sie in eine heftige Bewegung um“, so Katsonis.
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