Zaubertinte aus der Nanowelt
Farben plasmonischer Drucke lassen sich durch eine chemische Reaktion verändern
© MPI für Intelligente Systeme
Glaskünstler des Mittelalters nutzten den Effekt, lange bevor er überhaupt benannt war. Sie färbten die prächtigen Fenster gotischer Kathedralen unter anderem mit Nanopartikeln aus Gold, die im Licht rot leuchteten. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts erhielt das zugrunde liegende physikalische Phänomen auch einen Namen: Plasmonen. Solche kollektiven Schwingungen der freien Elektronen werden durch die Absorption einfallender elektromagnetischer Strahlung angeregt. Dabei gilt: Je kleiner die Metallteilchen, desto kürzer die Wellenlänge der absorbierten Strahlung. Irgendwann liegt diese Resonanzfrequenz, also das Absorptionsmaximum, im Bereich des sichtbaren Lichts. Der nicht absorbierte Teil des Spektrums wird dann gestreut beziehungsweise reflektiert und sorgt für einen Farbeindruck. Dann nehmen Metallteilchen, die normalerweise silbrig, kupferfarben oder auch goldglänzend erscheinen, auch ganz andere Farben an.
Eine Auflösung von 100.000 Bildpunkten pro Zoll
Auf den Effekt setzten Forscher auch, um das plasmonische Drucken zu entwickeln. Dabei werden maßgeschneiderte quadratische Metallpartikel gezielt auf einem Untergrund angeordnet. Ihre Kantenlänge liegt im Bereich weniger 100 Nanometer (milliardstel Meter). Das ermöglicht eine Auflösung von 100.000 Bildpunkten pro Zoll (dots per inch: dpi) – ein Vielfaches dessen, was herkömmliche Drucker und auch Bildschirme leisten.
Bei Metallpartikeln von einigen 100 Nanometern liegt die Resonanzfrequenz der Plasmonen im Bereich des sichtbaren Lichts. Fällt weißes Licht auf solche Teilchen, erscheinen diese in einer bestimmten Farbe, zum Beispiel rot oder blau. Welche Farbe das Metall konkret annimmt, lässt sich dabei über die Größe der Partikel und auch über ihren Abstand zueinander festlegen. Diese Stellschrauben sind für das plasmonische Drucken daher so etwas wie die Farbpalette für die Malerei.
Der Trick mit der chemischen Reaktion
Auch die Forschungsgruppe „Intelligente Nanoplasmonik“ am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Intelligente System nutzt diese Farbvariabilität. Derzeit arbeitet sie daran, plasmonische Drucke dynamisch zu gestalten. Nun stellt sie einen Ansatz vor, wie sich die Pixel auch nach dem Druck farblich beliebig verändern lassen, und zwar in definierter Weise. „Der Trick besteht darin, dass wir Magnesium verwenden. Dieses können wir einer reversiblen chemischen Reaktion unterziehen, bei der der metallische Charakter verloren geht“, erklärt Laura Na Liu, die Leiterin der Stuttgarter Forschungsgruppe. „Magnesium kann bis zu 7,6 Gewichtsprozent Wasserstoff aufnehmen und reagiert dabei zu Magnesiumdihydrid, also MgH2“, so Liu weiter. Als Katalysator für diese Reaktion dient Palladium, mit dem die Forscher das Magnesium daher beschichten.
Beim kontinuierlichen Übergang von metallischem Magnesium in das nichtmetallische MgH2 ändert sich die Farbe der einzelnen Pixel zum Teil mehrfach. Die Farbwechsel und auch deren jeweilige Geschwindigkeit folgen dabei einem klaren Schema. Dieses wird sowohl von der Größe und dem Abstand der einzelnen Magnesiumteilchen als auch vom Wasserstoffangebot bestimmt.
Bei vollständiger Sättigung mit Wasserstoff verschwindet die Farbe sogar ganz, und die Pixel reflektieren das weiße Licht vollständig. Der Grund: Weil das Magnesium dann nicht mehr metallisch, sondern nur noch als MgH2 vorliegt, gibt es auch keine freien Metallelektronen mehr. Es können somit auch keine Schwingungen der Elektronen angeregt werden
Das Verschwinden der Göttin Minerva
Wie effektvoll sich ein solch dynamisches Farbverhalten einsetzen lässt, demonstrierten die Wissenschaftler am Beispiel eines plasmonischen Drucks der römischen Weisheitsgöttin Minerva, die auch das Logo der Max-Planck-Gesellschaft ziert. Die Forscher dimensionierten ihre Magnesium-Pixel so, dass die Haare zu Beginn rötlich erschienen, die Kopfbedeckung gelb mitsamt einem roten Federkamm und der Lorbeerkranz sowie die Gesichtsumrisse wiederum blau. Dann umspülten sie den Mikrodruck mit Wasserstoff. Ein Film zeigt im Zeitraffer, wie sich dabei die einzelnen Farben verändern. Aus Gelb wird Rot, aus Rot Blau und aus Blau Weiß. Nach einigen Minuten sind alle Farben verschwunden, und an Stelle der Minerva bleibt eine weiße Fläche zurück.
Die Wissenschaftler zeigten auch, dass dieser Prozess umkehrbar ist, indem sie den Wasserstofffluss durch einen Strom aus Sauerstoff ersetzten. Der Sauerstoff reagiert mit dem im Magnesiumhydrid gebundenen Wasserstoff zu Wasser, sodass die Magnesiumpartikel wieder metallisch werden. Daher durchlaufen alle Pixel die Farbwechsel nun in umgekehrter Abfolge, und am Ende erscheint Minerva wieder in den ursprünglichen Farben.
Auf ähnliche Weise ließen die Forscher das Mikroabbild eines berühmten Van-Gogh-Gemäldes erst verschwinden und dann wieder erscheinen. Ebenso gestalteten sie komplexe Animationen, die wie ein Feuerwerk wirken.
Das Prinzip einer neuen Verschlüsselungstechnik
Laura Na Liu kann sich vorstellen, dieses Prinzip auch in einer neuen Verschlüsselungstechnik anzuwenden. Um das zu demonstrieren, formte die Gruppe verschiedene Buchstaben aus Magnesiumpixeln. Die Zugabe von Wasserstoff sorgte dann dafür, dass einige Buchstaben mit der Zeit verschwanden – wie die Göttin Minerva. „Bei den übrigen hatten wir die Magnesiumpartikel zuvor mit einer hauchdünnen Oxidschicht überzogen“, erklärt Liu. Diese Schicht sei für den Wasserstoff undurchdringlich. Das unter dieser Oxidschicht liegende Magnesium bleibe also metallisch – und sichtbar. Denn die Schicht ist so dünn, dass das Licht sie durchdringen und im Magnesium die Plasmonen anregen kann.
Auf die Art könne man eine Botschaft kaschieren, indem man zum Beispiel echte und unsinnige Information miteinander mischt. Nur der richtige Empfänger sei in der Lage, die unsinnige verschwinden zu lassen und die eigentliche Nachricht herauszufiltern. Von dem Wort „Wiesbaden“ könnte also nach der Decodierung mit Wasserstoff lediglich ein „Wie n“ sichtbar bleiben. Um das Knacken einer solchen Verschlüsselung zu erschweren, arbeitet die Gruppe derzeit an einem Prozess, der für das Decodieren eine genau eingestellte Wasserstoffkonzentration erfordern würde.
Auch beim Kampf gegen Fälschungen lasse sich die Technik vielleicht eines Tages einsetzen, so Liu. „Man könnte zum Beispiel plasmonische Sicherheitsmerkmale auf Banknoten oder auch Medikamentenpackungen drucken, die später nur unter ganz konkreten, den Fälschern nicht bekannten Bedingungen überprüft oder ausgelesen werden können.“
Es muss nicht unbedingt Wasserstoff sein
Laura Na Liu weiß, dass der Einsatz von Wasserstoff manche Anwendungen erschwert und für Alltagseinsätze wie etwa mobile Displays unpraktisch wäre. „Wir sehen unsere Arbeiten eher als Startschuss für ein neues Prinzip, nämlich chemische Reaktionen für dynamische Drucke zu nutzen“, so die Stuttgarter Physikerin. Es sei gut denkbar, dass die Forschung schon bald andere chemische Reaktionen für die gewünschten Farbwechsel ersinnt als gerade den Phasenübergang zwischen Magnesium und Magnesiumdihydrid. Zum Beispiel Reaktionen, bei denen man nicht mehr gasförmige Reaktionspartner zuführen müsse.