Elektronenwirbel gezielt erzeugt
Universität Oldenburg
Das Umwandeln von Licht in elektrischen Strom ist ein ultraschneller Vorgang, dessen Details erstmals Albert Einstein in seinen Studien zum photoelektrischen Effekt adäquat gedeutet hat. Im Jahr 2015 haben theoretische Physiker vorhergesagt, dass bei der Photoionisation mit zwei entgegengesetzt zirkular polarisierten Laserpulsen – also Laserpulsen, die sich erst in die eine und dann in die entgegengesetzte Richtung drehen – ein sogenannter Elektronenwirbel entsteht. Nun lag es an den Experimentalphysikern, diesen tatsächlich zu erzeugen und abzubilden.
Um sich dem komplexen Geschehen anzunähern, studierten die Oldenburger Experimentalphysiker der Arbeitsgruppe „Ultraschnelle kohärente Dynamik (ULTRA)“ die Vorgänge an elementaren Einheiten – in diesem Fall waren es isolierte Atome. Die Herausforderung bestand darin, die Atome mit maßgeschneiderten Sequenzen zirkular polarisierter Laserpulse zu beschießen, so dass deren Elektronen anfangen, zu rotieren – zunächst in die eine, dann in die andere Richtung. Bei der dadurch ausgelösten Ladungstrennung entstehen die Elektronenwirbel. Der gesamte Vorgang spielt sich innerhalb weniger Femtosekunden ab. Zum Vergleich: in drei Sekunden – also der Zeitspanne, die der Mensch als einen zusammenhängenden Moment wahrnimmt – vergehen etwa so viele Femtosekunden, wie Minuten seit Bestehen des Universums vergangen sind.
Um das Geschehen so gut wie möglich zu beobachten und abzubilden, setzten die Forscher eine tomographische Methode ein, die sie erst kürzlich selbst entwickelt haben: Ähnlich wie in der medizinischen Computertomographie entstehen dabei dreidimensionale Bilder, die das komplexe Geschehen der Ladungstrennung sichtbar machten.
„Unsere Experimente werden erst durch die Kombination modernster Hochtechnologien ermöglicht“, sagt Wollenhaupt. Der gezielt erzeugte Elektronenwirbel sei ein extremes Beispiel für Quantenkontrolle – also dem Bestreben, komplexe physikalische Vorgänge auf mikroskopischer Ebene zu beherrschen. „Wir versuchen, eine chemische Reaktion mithilfe von Lasern gezielt zu steuern. Wir wollen der Natur also nicht nur zugucken, sondern das Geschehen aktiv manipulieren“, erklärt der Wissenschaftler. Möglicherweise könnten auf Basis dieser grundlegenden Forschung eines Tages bessere Energiewandler, beispielweise effizientere Solaranlagen, gebaut werden.
Denkbar wäre auch eine Anwendung in der Pharmazie. Hier lautet das Stichwort chirale Moleküle. Diese molekularen Zwillinge sehen sich zum Verwechseln ähnlich, verhalten sich in Reaktionen allerdings sehr unterschiedlich. So riecht der Duftstoff Carvon beispielsweise – je nachdem um welchen der beiden Zwillinge es sich handelt – entweder nach Kümmel oder nach Minze. Eine genaue Analyse, mit welcher Art man es zu tun hat, ist für die Pharmaindustrie extrem wichtig. Mithilfe der ultrakurzen Laserpulse können Forscher die verschiedenen Varianten eines chiralen Moleküls identifizieren. Das Licht löst die Abgabe von Elektronen aus. In welche Richtung diese fliegen, gibt Aufschluss darüber, um welche Variante eines chiralen Moleküls es sich handelt.