Wasserstoff-Einschlüsse höchstauflösend 3D-kartiert
ETH Zürich / Stephan Gerstl
ETH Zürich / Stephan Gerstl
Wasserstoff ist ein Feind vieler Metalle. Denn sind in Metallen Wasserstoff-Atome eingeschlossen, kann dies die Materialeigenschaften stark beeinträchtigen: Das Material kann spröde werden oder es können sich Risse bilden. Um Materialien zu verbessern, gilt es daher, Wasserstoff-Einschlüsse möglichst zu vermeiden. Voraussetzung dafür ist, dass man solche Einlagerungen überhaupt lokalisieren kann. Bisher war es jedoch nicht möglich, einzelne Wasserstoffatome in einer Materialprobe dreidimensional zu verorten.
Materialwissenschaftler der Universität Oxford haben nun zusammen mit Mikroskopie-Experten der ETH Zürich erstmals einzelne flüchtige Wasserstoffatome in einem festen Material dreidimensional kartiert. Dies berichten sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science. Die Messung gelang ihnen in einer Probe hochfesten Stahls.
Atom für Atom verdampft
Für die Kartierung verwendeten sie die Atomsonden-Tomographie. Dabei wird von einer kleinen, spitzigen Materialprobe in einer Analysekammer unter Hochvakuum Atom für Atom kontrolliert abgebaut und analysiert: Jeweils über einen kurzen Spannungspuls werden wenige Atome der Probenoberfläche verdampft und analysiert. Dies wird solange fortgesetzt bis die Atome einer zu untersuchenden dreidimensionalen Region verdampft sind. Die entsprechende Probenregion wird dabei zerstört. Aus den Flugbahnen der verdampften und detektierten Atome kann dann ein Computer ein dreidimensionales Modell des atomaren Aufbaus der Probe generieren.
Die Atomsonden-Tomographie eignet sich generell um Legierungen, Mineralien oder Halbleiter zu untersuchen. Damit Wasserstoff zu lokalisieren, ist jedoch äusserst schwierig, denn die Wasserstoff-Atome sind innerhalb der Probe sehr mobil (flüchtig).
Analyse bei grosser Kälte
Atome wie Wasserstoff lassen sich mit der Atomsonden-Tomographie jedoch verorten, indem man die Proben auf sehr tiefe Temperaturen abkühlt. Bei diesen Bedingungen ist der in den Proben eingeschlossene Wasserstoff nicht flüchtig. Das derzeit einzige Atomsonden-Mikroskop, mit dem Proben konstant unter minus 140 Grad Celsius gehalten werden können, und mit dem solche Messungen gemacht werden können, steht an der ETH Zürich. Daher haben die Materialwissenschaftler aus Oxford ihre Messungen in Zürich gemacht.
«Es ist eine Herausforderung, eine kalte Probe in ein Hochvakuum-System einzubringen, sodass sie kalt bleibt und nicht kondensiert, was die Messung stören würde», erklärt Stephan Gerstl, Wissenschaftler am ScopeM, dem Zentrum für optische Mikroskopie und Elektronenmikroskopie der ETH Zürich. Zusammen mit dem Wissenschaftler Roger Wepf und weiteren ScopeM-Kollegen entwickelte er ein ausgeklügeltes System zum Probentransport und -transfer, mit dem die Forschenden die Probe auch im Vakuum ständig bei minus 140 Grad Celsius halten und vor der Messung auf minus 250 Grad Celsius abkühlen können.
Trick mit schwerem Wasserstoff
Weil kleinste Wasserstoff-Verunreinigungen in der Messkammer die Messungen hätten verfälschen können, mussten die Wissenschaftler einen Trick anwenden: Um die Technik zu etablieren, stellten sie eine Metallprobe mit Einschlüssen aus einem schwereren Wasserstoff-Isotop (Deuterium) her, das in der Natur extrem selten ist. Somit war es ihnen möglich, die Metall-Einschlüsse von verunreinigendem herkömmlichen Wasserstoff ausserhalb der Probe zu unterscheiden und somit die Einschlüsse eindeutig nachzuweisen.
Die neue Tieftemperatur-Atomsonden-Tomographie könnte auch für die Analyse weiterer Materialien interessant sein, etwa für weiche Proben wie Gummi und Polymere oder sogar Flüssigkeiten. Die ETH-Wissenschaftler haben mit ihrem einzigartigen Messgerät noch viel vor.