Teilchenbeschleuniger des Röntgenlasers European XFEL in Betrieb
DESY/D. Nölle
Die schnellen Teilchen durchfliegen nun den kompletten 2,1 Kilometer langen Beschleunigertunnel. Im nächsten Schritt wird die Energie der Elektronen weiter erhöht, bevor sie in die magnetische Slalomstrecke geschickt werden, in der sie das helle Röntgenlaserlicht erzeugen. DESY ist Hauptgesellschafter des European XFEL und für Bau und Betrieb des supraleitenden Linearbeschleunigers verantwortlich.
„Der Teilchenbeschleuniger des European XFEL ist der erste supraleitende Linearbeschleuniger dieser Größe, der auf der Welt in Betrieb genommen wird. Mit der Inbetriebnahme dieser komplexen Anlage krönen DESY- und European XFEL-Wissenschaftler ihr 20-jähriges Engagement in Entwicklung und Bau dieses internationalen Großprojekts. Die ersten Experimente sind nun in greifbarer Nähe“, sagt der Vorsitzende des DESY-Direktoriums, Prof. Helmut Dosch. „Ich freue mich außerordentlich über das Erreichen dieses Meilensteins und gratuliere allen Beteiligten für die ausgezeichnete Arbeit und ihren langen Atem.“
European XFEL-Geschäftsführer Prof. Robert Feidenhans´l sagt: „Die erfolgreiche Inbetriebnahme des Beschleunigers ist ein sehr wichtiger Schritt, der uns dem geplanten Nutzerbetrieb im Herbst ein großes Stück näher bringt. Die am Beschleunigerkonsortium beteiligten 17 Forschungseinrichtungen haben in den letzten Jahren unter Führung von DESY großartige Arbeit geleistet. Den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danke ich für ihre Arbeit, die sehr viel Know-how und Präzision, aber auch viel persönlichen Einsatz erfordert hat. Der Beschleuniger ist ein herausragendes Beispiel für eine erfolgreiche weltumspannende Kooperation, die neben Forschungseinrichtungen, Instituten und Universitäten auch Industrieunternehmen umfasst, in denen einzelne Komponenten gefertigt wurden.“
Der European XFEL ist ein Röntgenlaser der Superlative: Die Forschungsanlage wird in Zukunft bis zu 27.000 Röntgenlaserblitze pro Sekunde produzieren, jeder so kurz und intensiv, dass die Forscher damit Strukturen und Bewegungen auf atomarer Ebene abbilden können.
Der supraleitende Teilchenbeschleuniger der Anlage, der jetzt auf seiner vollen Länge in Betrieb ist, ist die Schlüsselkomponente für die Funktion des insgesamt 3,4 Kilometer langen Röntgenlasers. Die supraleitende TESLA-Technologie des Beschleunigers, die in internationaler Zusammenarbeit unter DESY-Federführung entwickelt wurde, ist Basis für die einzigartig hohe Rate von Röntgenlaserblitzen. Supraleitend bedeutet, dass die Beschleunigerkomponenten keinerlei elektrischen Widerstand besitzen. Dazu müssen sie auf extrem tiefe Temperaturen gekühlt werden.
Von Dezember bis Januar war der Beschleuniger zunächst auf seine Betriebstemperatur von minus 271 Grad Celsius abgekühlt worden. Dann gingen der sogenannte Injektor und der vordere Abschnitt des Hauptbeschleunigers in Betrieb, die zusammen 18 von 98 Beschleunigermodulen umfassen. Hier werden die Elektronenpakete sowohl beschleunigt als auch in drei Stufen auf eine Länge von bis zu zehn Mikrometer (tausendstel Millimeter) verkürzt. Zuletzt wurde der dritte Abschnitt des Beschleunigers in Betrieb genommen. Die Elektronen erreichen aktuell eine Energie von 12 Giga-Elektronenvolt (GeV), im Regelbetrieb sind bis zu 17,5 GeV geplant.
„Die Energie und weitere Eigenschaften der Elektronenpakete liegen jetzt bereits in dem Bereich, wo sie auch im ersten Nutzerbetrieb liegen werden“, sagt DESY-Physiker Winfried Decking, der die Inbetriebnahme des European XFEL-Beschleunigers leitet.
Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten des Beschleunigers und der Strahlführung wird jetzt intensiv geprüft, bevor die beschleunigten Elektronen in die nachfolgenden, bis zu 210 Meter langen speziellen Magnetanordnungen, die sogenannten Undulatoren, geführt werden. Dort werden sie das helle Röntgenlaserlicht erzeugen. Der wissenschaftliche Experimentierbetrieb soll im Herbst dieses Jahres beginnen.
Der supraleitende Teilchenbeschleuniger des European XFEL wurde in den vergangenen sieben Jahren durch ein internationales Konsortium führender Forschungsinstitute unter der Leitung von DESY gebaut: CEA und CNRS in Frankreich; INFN in Italien; IFJ-PAN, NCBJ und die Wrocław University of Technology in Polen; das Budker Institut, das Institute for High Energy Physics, das Institute for Nuclear Research und das NIIEFA in Russland; das CIEMAT und die Universidad Politécnica de Madrid in Spanien; das Manne Siegbahn Laboratory, die Universität Stockholm und die Universität Uppsala in Schweden; und das Paul Scherrer Institut in der Schweiz.