Elektrostatisches Materialdesign: TU Graz zeigt fundamental neuen Ansatz

Radikal neuer Ansatz zur gezielten Gestaltung optischer und elektronischer Eigenschaften von Materialien

12.05.2017 - Österreich

Herkömmlicherweise wird computergestütztes Materialdesign dazu genutzt, um bereits existierende Materialien zu verbessern und weiterzuentwickeln. Simulationen erlauben einen tiefen Einblick in die quantenmechanischen Effekte, die letztendlich die Materialeigenschaften bestimmen. Egbert Zojer geht einen Schritt weiter: Mit seinem Team vom Institut für Festkörperphysik der TU Graz nutzt er Computersimulationen, um ein gänzlich neues Konzept zur Kontrolle elektronischer Materialeigenschaften vorzuschlagen. Vermeintlich störende Einflüsse, die sich aus der regelmäßigen Anordnung polarer Elemente ergeben, nämlich sogenannte kollektive elektrostatische Effekte, nutzt die Gruppe zur gezielten Manipulation von Materialeigenschaften. Dass der radikal neue Ansatz auch für dreidimensionale Materialien funktioniert, demonstriert das Grazer Team in Advanced Materials.

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Elektrostatisches Design dreidimensionaler kovalenter organischer Netzwerke.

Manipulation der energetischen Materiallandschaft

„Der grundlegende Ansatz unserer Forschung zum elektrostatischen Design von Materialien ist es, die elektronischen Eigenschaften insbesondere von halbleitenden Materialien so zu modifizieren, dass kontrolliert Energieniveaus verschoben werden können. Dabei wenden wir Effekte an, die sich aus der periodischen Anordnung von dipolaren Gruppen ergeben. Wir versuchen also nicht, Wege zu finden, diese gerade an Grenzflächen unvermeidlichen Effekte zu umgehen, sondern nutzen sie ganz gezielt für unsere Zwecke aus“, erklärt Egbert Zojer.

Schon länger widmet sich eine Gruppe um Zojer diesem Forschungsgebiet. Der erste Schritt war das elektrostatische Design von molekularen Monolagen, etwa auf Goldelektroden. Experimente haben gezeigt, dass die vorhergesagten Energieverschiebungen innerhalb der Schichten tatsächlich auftreten und sich der Ladungstransport durch die Monolagen gezielt manipulieren lässt. Auch die elektronischen Eigenschaften zweidimensionaler Materialien, wie beispielsweise Graphen, lassen sich über kollektive elektrostatische Effekte kontrollieren. In der Publikation demonstrieren die Dissertantin Veronika Obersteiner, Egbert Zojer und weitere Kollegen aus der Arbeitsgruppe das volle Potential des Konzepts, indem sie es auf dreidimensionale Materialien erweitern.

„Für das Beispiel dreidimensionaler kovalenter organischer Netzwerke zeigen wir, wie man mittels kollektiver elektrostatischer Effekte die energetische Landschaft innerhalb eines ausgedehnten Materials so manipuliert, dass räumlich begrenzte Pfade für Elektronen und Löcher entstehen. So kann man beispielsweise gezielt Ladungsträger trennen und die elektronischen Materialeigenschaft quasi nach Lust und Laune gestalten.“, so Zojer.

Das vorliegende Konzept kann insbesondere für Solarzellen interessant sein. In klassischen organischen Solarzellen nutzt man chemisch unterschiedliche Elemente, so genannte Donatoren und Akzeptoren, zum Auftrennen der durch den Absorptionsprozess entstandenen Elektron-Loch Paare. Im hier vorgeschlagenen Zugang funktioniert die dazu nötige lokale Verschiebung der Energieniveaus aufgrund periodisch eingebauter polarer Gruppen. Die halbleitenden Bereiche, auf die die Elektronen bzw. die Löcher verschoben werden, sind dabei chemisch ident. „Wir können so die Energieniveaus durch Variation der Dipoldichte effizient und quasi kontinuierlich einstellen. Diese Arbeit ist der bisherige Höhepunkt unserer intensiven Forschung am elektrostatischen Materialdesign“, sagt Zojer. 

Mit elektrostatischem Design in 3D-Systemen können auch komplexe Quantenstrukturen realisiert werden, wie Quantenschachbretter oder Quantenkaskaden. „Nur die Phantasie der Materialdesigner setzt unserem neuen Konzept Grenzen“, schwärmen Zojer und Obersteiner unisono.

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