Was hinten rauskommt, wenn wir Gas geben
Krebs erregende Substanzen aus Benzinmotoren
Empa
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Weltweit laufen pro Sekunde drei neue Autos vom Band – insgesamt 73 Millionen Personenwagen und 18 Millionen Nutzfahrzeuge pro Jahr. Die meisten sind Benziner. In den Industriestaaten geht der Trend zu so genannten Downsizing-Motoren: Motoren mit weniger Hubraum, dafür mit Benzin-Direkteinspritzung und Turboaufladung. Diese Technik schone die Umwelt und spare Sprit, sagen die Hersteller. Im Jahr 2020, so schätzen Fachleute, werden europaweit 50 Millionen solcher Benzin-Direkteinspritzer unterwegs sein. Da wurde es höchste Zeit, den Abgascocktail solcher Motoren genau zu untersuchen.
Im Frühjahr 2014 startete das Forschungsprojekt GasOMeP (Gasoline Vehicle Emission Control for Organic, Metallic and Par-ticulate Non-Legislative Pollutants). Mit dabei: Das Paul-Scherrer-Institut (PSI), die Berner Fachhochschule, die Fachhochschule Nordwestschweiz, mehrere Industriepartner und die Empa. Finanziert wurde das Projekt durch das Kompetenzzentrum für Energie und Mobilität des ETH-Bereichs (CCEM). Die Koordination des Projekts übernahm der Empa-Chemiker Norbert Heeb, der sich in den letzten 25 Jahren mit der Analyse von Dieselemissionen und der Untersuchung von Filtersystemen einen Namen gemacht hat.
Die Forschungsgruppe wählte sieben Benzin-Direkteinspritzer aus, darunter einen Mitsubishi Carisma (Baujahr 2001, Abgasnorm Euro 3). Die anderen Fahrzeuge stammten aus den Jahren 2010 (VW Golf, Euro 4) bis 2016 (Citroën C4, Euro 6b). Zum Vergleich wurde ein aktueller Peugeot 4008 mit Dieselmotor und Partikelfilter mitgemessen (Baujahr 2013, Euro 5b). Alle Fahrzeuge wurden nach dem Zyklus WLTP (Worldwide Light-Duty Vehicles Test Procedure) gemessen, der ab September 2017 für neu zugelassene Modelle Pflicht wird.
Russpartikel als Trojaner
Die Resultate waren ernüchternd: Jeder der getesteten Benziner stiess 10- bis 100-mal mehr feine Russpartikel aus als der zum Vergleich gemessene Diesel-Peugeot mit Partikelfilter. Die Partikel aus den Benzinmotoren sind im Mikroskop ähnlich klein wie Russpartikel, die den Diesel einst in Verruf brachten: Es sind Primärpartikel mit 10 bis 20 Nanometer Grösse, die sich zu 80bis 100 nm grossen Partikelagglomeraten zusammenlagern, bevor sie den Auspuff verlassen. «Einmal eingeatmet, bleiben solch kleine Partikel für immer im Körper», erläutert Empa-Forscher Heeb. Sie können erwiesenermassen die Membran menschlicher Lungenbläschen passieren und so in den Blutkreislauf gelangen.
Benzo(a)pyren – ein bekannter Rauchertod
Die Partikel sind allerdings nicht das einzige Problem, wie Norbert Heeb weiss: «Auf der Oberfläche der Partikel lagern sich flüssige oder feste chemische Gifte aus dem Verbrennungsprozess ab, unter anderem polyzyklische Aromaten. Diese Substanzen können mit den Partikeln in den Blutkreislauf geschleust werden wie in einem Trojanischen Pferd.» Maria Munoz, Heebs Kollegin in der Empa-Abteilung «Advanced Analytical Technologies», schaute sich die Abgase der einzelnen Probanden aus dem Projekt GasOMeP genauer an. Sie fand das Verbrennungsprodukt Benzo(a)pyren, eine bekanntermassen Krebs erregendes Substanz, die auch im Zigarettenrauch vorkommt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält bei Benzo-(a)pyren jede Dosis, auch die kleinste, für wirksam. Die EU hat sich auf einen Luftgrenzwert von einen Nanogramm pro Kubikmeter Luft geeinigt. Die Abgase der gemessenen Autos liegen bis zu 1700-fach darüber. Anders herum gerechnet: Ein Kubikmeter Abgas macht aus bis zu 1700 Kubikmetern sauberer Luft eine nach EU-Standard Krebs erregende Mischung.
Auch hier schnitt das zum Vergleich getestete Euro-5-Dieselfahrzeug mit Partikelfilter besser ab: Der Peugeot emittierte im Test nur 45 Nanogramm krebserregende Substanzen – sechsmal weniger als der Beste der getesteten Benzin-Direkteinspritzer.
Forscher drängen zum Handeln
Ende März wurden auf einer Tagung in der Empa-Akademie die Ergebnisse des Projekts GasOMeP vorgestellt. Das Fazit der beteiligten Forscher: Partikelfilter seien bei Dieselfahrzeugen etabliert und böten eine seit Jahren ausgereifte Technik. Auf Grund der aktuellen Messdaten sollten sie nun auch bei Benzinern zur Pflicht werden. «Im Moment wird nicht die beste verfügbare Technologie eingebaut», bemängelt Norbert Heeb und mahnt zur Eile: «Neu im Markt eingeführte Abgastechnologien brauchen in der Regel 13 Jahre, bis sie ihre Wirkung vollständig entfalten, erst danach sind neun von zehn Autos aus dem Fahrzeugbestand ersetzt. Je früher also Partikelfilter für Benziner zur Pflicht werden, desto besser für unser aller Gesundheit.»