Fusionswelle in Chemie rollt weiter
Abspaltungen im Blick
(dpa-AFX) Die Übernahmewelle in der Chemieindustrie geht in die zweite Runde: Die Konzerne rund um den Globus stehen in den Startlöchern und lauern auf mögliche Zwangsverkäufe. Denn die Megafusion der zwei US-Chemiekonzerne Dow Chemical und Dupont sowie die Rekord-Übernahme des US-Saatgutspezialisten Monsanto durch Bayer gehen bei den Behörden weltweit wohl nur mit der Auflage von milliardenschweren Unternehmensverkäufen durch. Besonders unter Kaufdruck steht der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF, der bisher bei den großen Übernahmen noch nicht zum Zug gekommen ist.
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"Das Agrochemiegeschäft ist groß genug", betonte BASF-Chef Kurt Bock zuletzt zwar bei jeder Gelegenheit. Gleichzeitig signalisierte er aber auch eine klare Kaufbereitschaft: "Wir würden es aber gerne noch größer haben, wenn sich Chancen dafür anbieten." Zukäufe müssten aber zur BASF passen und auch die Preise stimmen. In den vergangenen zwei Jahren hätten sich die Verkaufspreise drastisch erhöht.
"Für Zukäufe wird heute vor allem in der Spezialchemie nicht selten das 15- bis 20-fache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) bezahlt", sagte der Branchenexperte Martin Erharter, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. In Ausnahmefällen sei es auch mehr.
Auch der Spezialchemiekonzern Evonik steht grundsätzlich für Übernahmen bereit, aber: "Uns ist nicht bange vor Größerem, aber Größe ist kein Selbstzweck", sagte Evonik-Chef Christian Kullmann zuletzt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Es komme allein auf die Qualität und Passgenauigkeit an. Er setzt dabei auf konstruktive Gespräche und nicht auf Bietergefechte.
Erst im März hatte Dupont angekündigt, im Zuge der geplanten Fusion mit Dow Chemical Teile seines Pflanzenschutzgeschäfts an den US-Chemiekonzern FMC Corp abzugeben. Im Gegenzug erhält Dupont von FMC Geschäftsteile im Gesundheits- und Ernährungsbereich sowie 1,2 Milliarden US-Dollar in bar.
Bei der Megafusion von DowChemical mit Dupont dürfte aus Sicht von Kepler Cheuvreux-Analyst Christian Faitz auch das Saatgutgeschäft von DowChemical wegen der Kartell-Auflagen auf den Markt kommen. Dieses gelte als breit aufgestellt. Somit könnte es auch für ganz neue Spieler auf dem Markt als eine Art Türöffner dienen, erklärte Faitz. BASF ist hier derzeit etwa noch nicht aktiv.
Das Rennen ist voll im Gang. Neben dem Schweizer Agrarchemie-Konzern Syngenta, der erst jüngst vom chinesischen Staatskonunternehmen ChemChina geschluckt wurde, gehört BASF gut unterrichteten Kreisen zufolge zu den Firmen, die ein vorläufiges Gebot für Unternehmensteile von Bayer abgegeben haben. Die beiden Unternehmen hätten ein erstes Interesse an Geschäften signalisiert, zu denen Raps-, Baumwollsaatgut sowie die Saatgut-Marke LibertyLink und der Unkrautvernichter Glufosinat gehören, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf mit der Sache vertraute Personen.
Zudem werde Bayer möglicherweise sein Knoblauch- und Pfeffersaatgut separat oder als Teil eines Pakets verkaufen, schreibt die Agentur. Insgesamt könnte sich Bayer von Teilen im Volumen von 2,5 bis 3 Milliarden US-Dollar trennen. BASF wollte dazu keinen Kommentar abgeben.
Fest steht bereits, dass die Leverkusener weltweit auf die Saatgut-Marke LibertyLink und den dazugehörigen Unkrautvernichter Liberty verzichten müssen. Bayer hatte einer entsprechenden Auflage der südafrikanischen Wettbewerbsbehörde Anfang Mai zugestimmt.
Das Analysehaus Kepler Cheuvreux geht davon aus, dass wegen kartellrechtlicher Bedenken in der Branche am Ende Unternehmensteile im Wert von mindestens 11,5 Milliarden Euro weltweit auf den Markt kommen. Der größte Batzen dürfte das LibertyLink-Geschäft von Bayer mit einem geschätzten Umsatz von 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro sein, erwartet Analyst Faitz. Er hält bei der Bewertung dieses Geschäftes ein Volumen von bis zu 4,5 Milliarden Euro für möglich.
Bayer selbst hatte sich gleich zum Start des Monsanto-Kaufs zur Abgabe von Geschäften im Zuge von Kartellauflagen bereit erklärt. Die Obergrenze setzte der Dax-Konzern auf Umsätze von bis zu 1,6 Milliarden US-Dollar fest. Übersteigt das von den Behörden geforderte Volumen diese Schwelle, können Bayer und Monsanto von dem 66 Milliarden US-Dollar schweren Mega-Deal zurücktreten.