Günstig in die Ferien: Wende im globalen Öl-Poker drückt Spritpreise

Diesmal könnte der sommerliche Schreck an der Zapfsäule vielen erspart bleiben. Woran liegt das?

22.06.2017 - Deutschland

(dpa) Zu Beginn des Sommerurlaubs zieht es viele Deutsche wieder auf die Autobahnen. Die Niedersachsen und Bremer sind die ersten, die am Donnerstag in die Ferien starten. Ölkonzerne und Tankstellenbetreiber nutzen die Zeit gern für Preisaufschläge - doch dieses Jahr haben Autofahrer Glück: Die Spritpreise fallen vielerorts. Grund ist die schwindende Macht des Opec-Kartells, das im globalen Öl-Poker gegen die USA immer mehr ins Hintertreffen gerät.

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Alle Jahre wieder bittet die Mineralölbranche pünktlich zum Ferienbeginn die Autofahrer ordentlich zur Kasse - so die gängige Erwartung. Diesmal jedoch könnte der sommerliche Schreck an der Zapfsäule vielen erspart bleiben. Woran liegt das? Und haben die günstigen Preise Bestand?

Benzin und Diesel sind so billig wie seit Monaten nicht. Laut ADAC sanken die Spritpreise seit Mitte April. Zuletzt kostete ein Liter Super E10 im Schnitt 1,33 Euro - 5 Cent weniger als vor acht Wochen. Ein Liter Diesel war mit 1,11 Euro sogar für 7 Cent weniger zu haben. Und auch wer sein Haus mit Öl heizt, hat Gelegenheit zum Sparen: 100 Liter Heizöl kosten derzeit laut der Internetplattform «heizoel24» nur noch etwas mehr als 50 Euro, nach knapp 59 Euro Mitte April. Andere Quellen sprechen vom niedrigsten Stand seit über acht Monaten.

Die Hauptursache dieser Entwicklung ist ein Preisverfall beim Rohöl, das als Vorprodukt die Benzin-, Diesel- und Heizölpreise maßgeblich beeinflusst. «Den weiter sinkenden Preisen an den Zapfsäulen geht der weiter leicht gesunkene Rohölpreis voran», erklärt der ADAC. Am Dienstag fiel der Ölpreis sogar wieder unter das Niveau von Ende November zurück, als wichtige Förderländer eine historische Einigung über eine gemeinsame Produktionsbeschränkung erzielten. Am Mittwoch ging es bei den wichtigen Sorten Brent und WTI dann weiter abwärts.

Durch die Verknappung der Menge peilen die Ölförderer ein höheres Preisniveau an. Das will der Opec jedoch nicht wirklich gelingen. Besonders bemerkenswert: Der Preisverfall setzt sich trotz steigender Spannungen zwischen den Golf-Staaten rund um Katar, die normalerweise zu Verunsicherung am Markt und wachsenden Preisen führen, fort. Dabei hatte sich die Opec mit Russland und weiteren Förderern eigentlich fest vorgenommen, dem Billigöl ein Ende zu setzen.

Seit Mitte 2014 war der Preis von über 100 Dollar je Barrel (159 Liter) bis unter 30 Dollar abgestürzt, er konnte sich bis heute nicht richtig berappeln. Für Staaten wie Saudi-Arabien, die wirtschaftlich fast vollständig vom Ölexport abhängen, eine Katastrophe. Die Autofahrer und Heizölkunden in den Importländern freilich freut es.

Die Opec-Strategie: Kappung der Produktion um 1,8 Millionen Barrel pro Tag, ursprünglich für ein halbes Jahr - inzwischen wurde die Maßnahme bis März 2018 verlängert. «Wir starten in eine neue Ära der Kooperation», frohlockte Russlands Energieminister Alexander Nowak.

Doch das Kalkül geht nicht auf. Zwar stiegen die Preise zwischenzeitlich, aber inzwischen ist der Effekt verpufft. «Die Marktteilnehmer hatten mit stärkeren Kürzungen der Produktionsmengen gerechnet, und zum anderen bestehen Zweifel an der langfristigen Wirksamkeit», heißt es beim Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut.

Von der einstigen Macht der Opec ist nicht mehr viel geblieben. In den 1970er Jahren konnte das Kartell die wichtigsten Industrieländer vor sich her treiben. Heute sitzen die USA als Öl-Gegenspieler mit am globalen Pokertisch. Ein Grund ist die umstrittene Fracking-Technik.

Fracking ist teurer als die konventionelle Förderung. Aber die Bohrlöcher, in die ein Chemikalien-Cocktail gepresst wird, lassen sich zu relativ geringen Kosten vorübergehend stilllegen, falls sie aufgrund zu niedriger Ölpreise unrentabel werden. Umgekehrt lassen sie sich schnell wieder aktivieren, wenn die Preise steigen. Mit jedem Dollar, um den die Opec die Preise mühsam anzuheben versucht, kommen daher neue US-Fracker mit zusätzlichen Mengen aus der Reserve.

Künftig könnte die Energieindustrie der USA unter Präsident Donald Trump noch mehr freie Hand bekommen. «Die Entscheidung Trumps, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, dürfte den Ölpreis drücken», sagt Alwin Schenk von der Bank Sal. Oppenheim. Im Frühjahr war die eigene Förderung aller OECD-Staaten zusammen nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur (IEA) in Paris noch etwas gesunken.

Zu allem Überfluss machen der Opec auch noch die beiden einzigen Mitglieder Sorgen, die nicht an dem Kürzungsprogramm beteiligt sind: Libyen und Nigeria. Sie haben ihre Produktion ausgeweitet. Das bürgerkriegsgeplagte Libyen fördert so viel wie lange nicht, nachdem ein Vertragsstreit mit der deutschen Wintershall beigelegt wurde.

So bleibt der Opec nicht viel mehr als Zweckoptimismus. Der Ölmarkt bewege sich grundsätzlich in die richtige Richtung, meint der saudische Energieminister Khalid Al-Falih. Alles, was man jetzt noch brauche, sei Zeit. Doch die Stimmung ist alles andere als rosig. «Auch wenn wir die aktuellen Preise langfristig als günstig erachten, könnte der Abwärtssog angesichts der negativen Stimmung anhalten», sagt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. So viel scheint jedenfalls klar: Zumindest in diesen Sommerferien kann die Opec den deutschen Autofahrern nicht mehr in die Quere kommen.

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