Die Wasserqualität von Stauseen im Blick
Neue und global anwendbare Methoden sollen den Gewässerschutz vereinfachen
Mauricio Scheer
Die Qualität des Wassers in Stauseen hängt wesentlich von ihrem Einzugsgebiet ab. Um die Prozesse in Stauseen besser in einem Modell abbilden zu können, ist die Einbeziehung des Flusseinzugsgebiets unerlässlich. Wenn durch intensive Land- und Forstwirtschaft oder starke Besiedelung große Mengen an Nährstoffen in das Staubecken gelangen, kann dies zur Überdüngung - Eutrophierung - des Sees führen, die das Wachstum von Algen und häufig auch sogenannten „Cyanobakterien“ verstärkt. Wird das Gewässer langfristig überdüngt, eignet es sich nicht mehr zur Gewinnung von Trinkwasser.
Ein deutsch-brasilianisches Forschungskonsortium unter Federführung des KIT arbeitet an der Entwicklung eines möglichst einfachen Modells, mit dem sich die mittel- bis langfristig zu erwartende Veränderung der Wasserqualität in Stauseen vorhersagen lässt. Zentraler Aspekt des nun gestarteten Forschungsvorhabens ist es, die Komplexität der zugrunde gelegten wissenschaftlichen Ansätze und benötigten Daten für das künftige Modell zu verringern, damit es ohne hohen Aufwand unter anderem auch in Entwicklungsländern anwendbar ist.
„Die reduzierte Komplexität im Vergleich zu den existierenden Modellen ist ein entscheidender Schritt zu einem übertragbaren, global funktionalen Modell“, betont Dr. Stephan Fuchs, Leiter des Projekts MuDak-WRM (Multidisziplinäre Datenakquisition als Schlüssel für ein global anwendbares Wasserressourcenmanagement). Fuchs leitet am Institut für Wasser und Gewässerentwicklung des KIT den Bereich Siedlungswasserwirtschaft und Wassergütewirtschaft.
„Das Hauptproblem, das zur Überdüngung führt, sind feine Partikel, an denen Phosphor anhaftet und die mit dem Fluss in den Stausee transportiert werden“, erläutert der Geoökologe Dr. Stephan Hilgert, der am IWG das deutsch-brasilianische Verbundprojekt koordiniert. Das künftige Modell soll es Betreibern von Talsperren ermöglichen, die Wasserqualität über Jahre vorausschauend zu managen. Es könnte politischen Akteuren und Behörden Entscheidungsgrundlagen bieten und für die Information von Farmern und Industriebetrieben genutzt werden. „Denn nachhaltige Veränderungen im Einzugsgebiet hätten einen Vorlauf von einigen Jahren“, so Hilgert. Als Beispiel nennt der Wissenschaftler Aufforstungen, die verhindern, dass aus brachliegendem Boden bei Starkregen große Mengen Feinpartikel in den Fluss geschwemmt werden und in den Stausee gelangen.
Exemplarisch werden im Zuge des Forschungsprojekts die Große Dhünntalsperre in Nordrhein-Westfalen und der Passauna-Stausee im brasilianischen Bundesstaat Paraná mit ihrem jeweiligen Einzugsgebiet untersucht. Der Vergleich der Ergebnisse gewährleistet, dass die gewonnenen Erkenntnisse auf weitere Stauseen übertragbar sind.
„Das dynamische Zusammenspiel zwischen Einzugsgebiet und Wasserkörper ist noch nicht vollständig geklärt, das Projekt kann hier eine Lücke schließen“, so Hilgert. Dafür werden unter anderem innovative fernerkundliche Techniken genutzt: Mit Drohnen fliegende Hyperspektral-Kameras zeichnen detaillierte Spektren des vom Gewässer zurückgestreuten Lichts auf und ergänzen so multispektrale Satellitenaufnahmen der europäischen Weltraumagentur ESA. Über ein Echtzeit-Datennetzwerk (Sensor Web) haben die Partner des Forschungsverbunds jederzeit Einblick in den Projektverlauf und können die erhobenen Messungen und Ergebnisse unmittelbar nutzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das bis März 2020 laufende Vorhaben für drei Jahre mit 2,6 Millionen Euro als Teil der BMBF-Fördermaßnahme GROW - Globale Ressource Wasser - im Zuge des Rahmenprogramms FONA - Forschung für nachhaltige Entwicklung.
An dem Projekt beteiligt sind unter Federführung des KIT - das mit den beiden IWG-Bereichen Wasserwirtschaft und Kulturtechnik sowie Siedlungswasserwirtschaft und Wassergütewirtschaft und dem Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF) eingebunden ist - auf deutscher Seite die Universität Koblenz-Landau und als Industrie- beziehungsweise öffentliche Partner der Wupperverband sowie die Unternehmen 52°North - Initiative for Geospatial Open Source Software GmbH, EFTAS Fernerkundungs-Technologietransfer GmbH, HYDRON GmbH und TRIOS Mess- und Datentechnik GmbH. Auf brasilianischer Seite wird das Projektteam durch die Staatliche Universität von Paraná (UFPR) und die Universität Positivo sowie den Wasserversorger SANEPAR komplettiert. Assoziierte Partner in Brasilien sind das Instituto Paranaense de assistência técnica e extensão rural (Paranaensisches Institut für ländliche Entwicklung, EMATER) und das Instituto das Aguas do Paraná (Wasserinstitut des Bundesstaates Paraná). Das Projekt nutzt Satellitendaten des europäischen Programms zur Erdbeobachtung Copernicus des ESA, vor allem die Radardaten der Sentinel 1 Satellitenmission zur Detektion der Bodenfeuchteschwankungen sowie die optischen multispektralen Daten von Sentinel 2 zur Erkennung von Landnutzungsänderungen.