Gekoppelte Anregung: Rabi-Röntgenoszillationen zwischen Atomkernen beobachtet

19.10.2017 - Deutschland

Röntgenstrahlung wirkt meist nur schwach auf Materie. Das ist für zahlreiche Anwendungen ihre große Stärke, etwa für Röntgenaufnahmen, bei denen die energiereiche Strahlung weiches Gewebe weitgehend ungehindert passiert. Für andere Zwecke bedeutet die schwache Wechselwirkung allerdings eine Schwierigkeit. Insbesondere nichtlineare und Quantenoptik, die sowohl in der Grundlagenforschung als auch in technischen Bereichen breite Anwendung finden, erfordern eine möglichst starke Wechselwirkung, die im Röntgenbereich schwer zu erreichen ist.

DESY, Ralf Röhlsberger/Boris Kumicak

Symbolische Illustration der Wechselwirkung zweier dünner Lagen von Mössbauer-Atomkernen mit einem Röntgenstrahl, der in einem System aus gekoppelten Resonatoren mehrfach reflektiert wird. Die starke Strahlungskopplung der Kerne in den Resonatoren führt zu einem periodischen Austausch der Anregungsenergie zwischen zwei Atom-Ensembles, den sogenannten Rabi-Oszillationen.

Auf verschiedenen Wegen versuchen Forscher daher, die Wechselwirkung von Röntgenstrahlung und Materie zu erhöhen. Einer dieser Wege führt über sogenannte resonante Prozesse: Entspricht die Energie der Röntgenstrahlung gerade exakt der erforderlichen Energie, um ein Atom in einen angeregten Zustand zu befördern, spricht man von einer atomaren Resonanz, bei der die Absorption dann um ein Vielfaches über derjenigen abseits solcher Resonanzen liegen kann. Eine Studie unter der Leitung von DESY-Forscher Ralf Röhlsberger zeigt nun neue Wege auf, um die Wechselwirkung von Röntgenstrahlung mit resonanten atomaren Systemen zu verbessern und zu kontrollieren.

Die ultimative Wechselwirkung ist die Entstehung eines Verbundzustands aus Licht und Materie, bei dem die Anregungsenergie innerhalb des Systems regelmäßig absorbiert, abgestrahlt und wieder absorbiert wird. „Diese 'Rabi-Oszillationen' manifestieren sich als ein charakteristisches periodisches Muster in der Strahlung, die aus dem System austritt, da kein System perfekt abgeschlossen ist“, erläutert Röhlsberger.

Die stärksten Resonanzen im Röntgenbereich finden sich bei den Kernen sogenannter Mössbauer-Isotope, benannt nach dem Physiknobelpreisträger von 1961, Rudolf Mössbauer. Diese Resonanzen bieten außerdem den Vorteil, dass ihre Halbwertszeit einige Dutzend Nanosekunden lang sein kann, so dass sich ihre zeitliche Dynamik gut verfolgen lässt. Eine Nanosekunde ist eine milliardstel Sekunde. Am Mössbauer-Isotop Eisen-57 (57Fe) haben Forscher von DESY, dem Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik und der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Grenoble (Frankreich) jetzt erstmals Rabi-Oszillationen im Röntgenbereich beobachtet.

„Normalerweise findet man Rabi-Oszillationen in optischen Resonatoren“, sagt der Hauptautor der Studie, Johann Haber von DESY. Diese bestehen im Wesentlichen aus zwei Spiegeln, zwischen denen das Licht hin und her reflektiert wird. Befindet sich ein Atom zwischen den Spiegeln, kann es diese Strahlung mehrfach absorbieren und wieder aussenden. Da die Spiegel das Licht hin- und her reflektieren, kann dieser Prozess sich eine Weile wiederholen und somit Rabi-Oszillationen erzeugen.

„Für Röntgenstrahlung ist das allerdings keine Option, denn es gibt keine Spiegel für Röntgenlicht wie für sichtbares Licht“, erläutert Haber. „Es lassen sich zwar Röntgenresonatoren herstellen, mit denen sich eine Reihe quantenoptischer Phänomene beobachten lassen, aber die Schwelle zur starken Kopplung liegt eindeutig außerhalb der Reichweite solcher Systeme. Der Grund dafür ist, dass die Lebensdauer der Resonanz im reinen Resonator so kurz ist, im Bereich von Femtosekunden, dass ein Photon, das im Resonator emittiert wird, eher den Resonator verlässt als erneut mit den Atomkernen wechselzuwirken.“ Eine Femtosekunde ist eine millionstel Nanosekunde.

Daher war ein anderer Ansatz erforderlich: Die Forscher präparierten zwei gekoppelte Resonatoren, von denen jeder eine dünne Schicht Eisen-57 enthielt. „Das ändert die Situation drastisch“, erklärt Röhlsberger. „Wenn eine Schicht ein Photon emittiert, verlässt es zwar nahezu sofort den Resonator zu einer der beiden Seiten. Die Hälfte gelangt also in den benachbarten Resonator, wo sie von der zweiten Schicht Eisen-57 wieder absorbiert werden. Nach der erneuten Aussendung wiederholt sich dieser Prozess. Die Photonen werden nun sozusagen nicht mehr zwischen Resonator und Atom ausgetauscht, sondern zwischen zwei Ensembles von Atomen.“

Dieser Trick eröffnet neue Perspektiven, um nichtlineare optische Effekte im Röntgenbereich zu untersuchen. „Eine interessante Forschungsrichtung wäre die Untersuchung, ob es zu Nichtlinearitäten kommt, wenn mehr als ein Photon in das System kommt“, sagt Ko-Autorin Adriana Palffy vom Max-Planck-Institut für Kernphysik. „Dies ist im optischen Bereich bereits beobachtet worden und könnte sich nun im Röntgenbereich wiederholen lassen, zum Beispiel am neuen europäischen Röntgenlaser European XFEL in Hamburg.“ Darüber hinaus könnten die gekoppelten Resonatoren möglicherweise genutzt werden, um nicht-klassische Zustände von Röntgenstrahlung zu erzeugen, mit denen sich ganz neue Röntgentechniken wie Abbildungen oder Spektroskopie mit sogenannten verschränkten Photonen realisieren lassen könnten.

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