6.900 Jobs bei Siemens fallen weg: Drei Standorte vor dem Aus
Der konventionelle Kraftwerksbau ist wegen der erneuerbaren Energien in der Krise
(dpa) Siemens will wegen schlechter Geschäfte in der Kraftwerks- und Antriebstechnik weltweit rund 6.900 Jobs streichen, etwa die Hälfte davon in Deutschland. Zwei Standorte im sächsischen Görlitz und in Leipzig mit zusammen 920 Arbeitsplätzen sollen geschlossen werden. Dies kündigte das Unternehmen am Donnerstag an.
Auf betriebsbedingte Kündigungen will Siemens möglichst verzichten - sofern mit den betroffenen Mitarbeitern Einigkeit über «Freiwilligenprogramme» erzielt werden kann. Das beinhaltet nach den Worten von Personalchefin Janina Kugel unter anderem mögliche Versetzungen an andere Standorte mit besseren Aussichten oder in Beschäftigungsgesellschaften.
Die Geschäfte in den beiden betroffenen Sparten laufen schlecht, vor allem bei den Kraftwerken. «Es brennt lichterloh auf dem Markt», sagte Kugel bei einer Telefonkonferenz. Die Standorte seien weltweit nicht ausgelastet.
Der Großteil - 6.100 Stellen - soll in der Kraftwerkssparte gestrichen werden, der Rest in der Antriebssparte, die etwa Elektromotoren und sonstige Ausrüstungen für den Bergbau sowie die Öl- und Gasindustrie herstellt. Siemens will das Spar- und Streichprogramm in Deutschland nach Möglichkeit bis 2022/23 abschließen. Zum Großteil sind nach Kugels Worten nicht Arbeiter betroffen, sondern Jobs von Ingenieuren, IT-Fachkräften und anderen hoch qualifizierten Spezialisten.
Sogar ein Land wie das öl- und gasreiche Saudi-Arabien setze inzwischen auf erneuerbare Energien, erklärte Willi Meixner, der Chef der Kraftwerkssparte. Siemens rechnet deswegen nicht damit, dass sich das Kraftwerksgeschäft wieder erholt. «Da zeichnen sich global Trends ab, die ganz klar in Richtung Strukturwende gehen», sagte Meixner.
Stark bedroht ist auch der Standort Offenbach, von wo aus 700 Beschäftigte Kraftwerke planen und bauen. Dieser Bereich soll in Erlangen gebündelt werden, neue Stellen wird es dort nach Kugels Angaben aber sehr wahrscheinlich nicht geben. «Kompetenzzentrum» für die Herstellung von Dampfturbinen soll Mülheim an der Ruhr werden. Für ein Generatorenwerk in Erfurt prüft Siemens mehrere Optionen, darunter den Verkauf.
Zu den «freiwilligen» Angeboten an die Mitarbeiter zählt auch die Versetzung an einen anderen Standort oder die Weiterbildung. Siemens hat nach Angaben der Personalchefin im Schnitt 1.000 freie Stellen in Deutschland anzubieten.
«Die Energieerzeugungsbranche befindet sich in einem Umbruch, der in Umfang und Geschwindigkeit so noch nie da gewesen ist», meinte Siemens-Vorstand Lisa Davis. Schon seit längerem wird der Konzern in der Kraftwerkssparte mit weltweit rund 46.800 Beschäftigten vor allem seine großen Gasturbinen in Deutschland und Europa nicht mehr los. Das sorgt für einen Preisverfall und Überkapazitäten.
Das Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe mit zuletzt 44.800 Mitarbeitern weltweit stellt etwa Getriebe, Motoren und Kupplungen für Bergwerke her. Es ist damit auch stark von den Rohstoffpreisen abhängig. Schwerpunkt der nun geplanten 760 Stellenstreichungen in diesem Bereich ist Berlin, wo allein 570 Arbeitsplätze wegfallen sollen. Der Standort soll aber erhalten bleiben. In beiden Sparten hatte Konzernchef Joe Kaeser bereits früher Jobs gekappt.
Die IG Metall reagierte empört auf die Pläne. Gewerkschaftsvorstand und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner lehnte sie als «breit angelegten Angriff auf die Arbeitnehmerseite» ab und kündigte harten Widerstand an: «Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung ist angesichts der hervorragenden Gesamtsituation des Unternehmens völlig inakzeptabel. Er kommt aus Sicht der IG Metall nicht einmal als ernsthafte Diskussionsgrundlage in Betracht.» Die Probleme der betroffenen Bereiche seien seit Jahren abzusehen gewesen. Siemens habe Stellen abgebaut, aber die strukturellen Probleme ignoriert.
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) verwies auf den «grundlegenden Strukturwandel», der sich in der Kraftwerkstechnik angesichts des Wandel zu erneuerbaren Energien vollziehe. Sie habe daher Verständnis für die nötige Neuaufstellung von Siemens. Zugleich mahnte sie das Management. «Die Beschäftigten von Siemens sind in großer Sorge und Verunsicherung über ihre Zukunft», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. «Ich wünsche mir, dass sich Siemens in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretungen um faire Regelungen kümmert. Wichtig ist vor allem, dass die Standorte in strukturschwachen Regionen möglichst erhalten bleiben.»
Schon vor der Bekanntgabe der Kürzungspläne hatte die Siemens-Führung auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Die IG Metall sieht darin einen Bruch der bei Siemens geltenden Vereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung. Sie hatte deshalb massiven Widerstand gegen die Pläne angekündigt.