Forscher verwandeln Diamant in Graphit

29.11.2017 - Deutschland

Per Röntgenlaser hat ein internationales Forscherteam Diamant in Graphit verwandelt. Was auf den ersten Blick nicht gerade erstrebenswert erscheint, ist ein entscheidender Schritt, um das grundlegende Verhalten von Festkörpern unter energiereicher Bestrahlung zu verstehen. Erstmals konnte das Team in seinen Experimenten den zeitlichen Ablauf der sogenannten Graphitisierung von Diamant beobachten.

DESY, Gesine Born

Diamant und Graphit sind zwei unterschiedliche Formen von Kohlenstoff. Den Ablauf der sogenannten Graphitisierung von Diamant haben die Forscher nun per Röntgenlaser detailliert verfolgt.

Diamant und Graphit sind unterschiedliche Formen von Kohlenstoff, die sich durch ihre innere Kristallstruktur unterscheiden. Diamant ist die Hochdruck-Variante, die sich im Inneren der Erde bildet und unter unseren Normalbedingungen an der Erdoberfläche metastabil ist. Das bedeutet, Diamant wandelt sich unter Normalbedingungen von selbst in Graphit um, wenn der Vorgang mit ausreichender Energiezufuhr angestoßen wird. Es gibt dazu verschiedene Wege, unter anderem durch Erhitzen unter Ausschluss von Sauerstoff oder sogar durch mechanische Schläge. Der umgekehrte Weg funktioniert auch: Mit Hitze und Hochdruck lassen sich aus Graphit künstliche Diamanten formen, die bereits einen erheblichen weltweiten Markt darstellen. „Den Graphitisierungsprozess zu verstehen, ist – abgesehen von den grundlegenden Aspekten – für alle diamantbasierten Technologien von Bedeutung, da Diamant zunehmend für praktische Anwendungen genutzt wird“, schreiben die Forscher.

Die Forscher hatten kleine, nur 0,3 Millimeter dünne Diamantscheiben mit den ultrakurzen Blitzen des italienischen Freie-Elektronen-Röntgenlasers FERMI in Triest beschossen. Derart intensive Laserpulse zerstören normalerweise die innere Ordnung eines Festkörpers, die daraus folgende innere Unordnung nennen Forscher amorph. Diamant ist dabei eine Ausnahme: Seine innere Struktur geht durch den Beschuss in eine andere Ordnung über, die aus dem Diamanten Graphit macht. „Es war bereits grundsätzlich bekannt, dass Diamant graphitisiert, wenn man genügend Energie hineinschießt“, erläutert Toleikis. „Aber es war nicht bekannt, wie das genau passiert.“

Dabei gibt es zwei mögliche Pfade: Den gewöhnlichen sogenannten thermischen Übergang, bei dem die absorbierte Energie auf das Kristallgitter im Diamant übertragen wird, bis es sich schließlich in der Graphitstruktur neu organisiert. Und den nicht-thermischen Modus, bei dem bereits die Energie, die nur von einem kleinen Teil der Elektronen im Diamanten absorbiert wird, ausreicht, um die inneren Potenzialflächen zu verschieben und so eine Neuorganisation des Kristallgitters auszulösen. „Der nicht-thermische Übergang ist viel schneller als der thermische, der auf der Skala von Pikoskunden abläuft“, berichtet Ziaja. Eine Pikosekunde ist eine billionstel Sekunde.

Zusätzlich zu den Experimenten haben die DESY-Forscher Nikita Medvedev, Victor Tkachenko und Beata Ziaja eine Computersimulation für den röntgeninduzierten Phasenübergang in Diamant entwickelt. „Unser Programm sagt vorher, dass der untersuchte Übergang nicht-thermisch abläuft, und unsere Experimente haben das bestätigt“, sagt Ziaja, die am Hamburger Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) arbeitet, einer Kooperation von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. Mit den nur etwa 50 Femtosekunden kurzen Röntgenblitzen von FERMI konnten die Forscher den Ablauf des Phasenübergangs verfolgen und seine Dauer zu lediglich etwa 150 Femtosekunden bestimmen. „Es ist das erste Mal, dass dies zeitaufgelöst beobachtet werden konnte“, unterstreicht Toleikis. Eine Femtosekunde (eine billiardstel Sekunde) ist tausend Mal kürzer als eine Pikosekunde.

„Die Röntgenblitze regen die Elektronen an“, erklärt Hauptautor Tavella. „Wenn sich nur etwa 1,5 Prozent der Elektronen in einem angeregten Zustand befinden, beginnt der Kristall bereits, seine innere Organisation zu verändern und in den Graphit-Zustand zu kippen.“ Die Beobachtungen beantworten nicht nur die Frage, wie Diamant zu Graphit wird, sie bestätigen auch das für die Simulation entwickelte Computerprogramm. „Wir können das Programm jetzt auch für andere Materialien benutzen und haben beispielsweise bereits Berechnungen für Silizium und Galliumarsenid gemacht“, berichtet Ziaja. „Es kann für beliebige Anregungsexperimente mit Röntgenlasern benutzt werden.“ Wegen der großen industriellen Bedeutung von Diamant sind seine Stabilität und die Frage der Graphitisierung unter verschiedenen Faktoren wie Hochdruck, Beschuss mit optischen Lasern und Hitze untersucht worden. Erst Freie-Elektronen-Laser mit ihren ultrakurzen Blitzen haben jedoch die Forscher in die Lage versetzt, den Phasenübergang auf der Femtosekunden-Skala zu verfolgen.

An der Studie beteiligt waren Wissenschaftler vom US-Beschleunigerzentrum SLAC, von DESY, von der Hochschule Emden/Leer, von der Universität Oldenburg, vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, vom italienischen Synchrotronzentrum Elettra, vom Helmholtz-Institut Jena, von der Universität Hamburg, vom europäischen Röntgenlaser European XFEL und von der Polnischen Akademie der Wissenschaften.

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