Physiker berechnen, wann Atomkerne instabil werden

11.12.2017 - Deutschland

Wenn Atomkerne zu viele Neutronen enthalten, brechen sie auseinander. Ein internationales Physiker-Team hat nun erstmals eine Methode entwickelt, die eine exakte Berechnung ermöglicht, ab wann die Kerne instabil werden. Die Ergebnisse erlauben einen detaillierteren Einblick in den Aufbau der Atomkerne. Die Wissenschaftler hoffen unter anderem, so die Entstehung der Elemente nach dem Urknall besser nachvollziehen können. An der Studie waren neben dem Jülicher Institut für Kernphysik die Universitäten in Bonn und Bochum sowie verschiedene US-Hochschulen beteiligt. Die Berechnungen wurden auf dem Jülicher Supercomputer JUQUEEN durchgeführt.

© Foto: Forschungszentrum Jülich/Ralf-Uwe Limbach

Der Supercomputer JUQUEEN am Forschungszentrum Jülich, an dem die Berechnungen durchgeführt wurden.

Atome bestehen aus einer Hülle und einem Kern. Die Hülle wird von den negativ geladenen Elektronen gebildet. Sie sind dafür verantwortlich, dass Atome chemische Bindungen eingehen können. Der Kern ist dagegen positiv geladen. Er hält die Elektronen aufgrund der elektrostatischen Anziehung gewissermaßen fest.

Für die positive Kernladung sorgen dabei die Protonen. Von ihnen gibt es stets genauso viele wie Elektronen. Atome sind daher insgesamt gesehen elektrisch neutral. Ein Kohlenstoff-Atom etwa besteht aus sechs Elektronen und sechs Protonen. Daneben enthält der Kern des Kohlenstoff-Atoms aber auch noch ungeladene Teilchen, die Neutronen. Wenn der Kern eines Atoms jedoch zu viele Neutronen enthält, wird er instabil. Das Atom kann dann zerbrechen – es zerfällt.

Wann das genau passiert, ist von Atom zu Atom unterschiedlich. „Bisher ließ sich nicht exakt berechnen, bei wie vielen Neutronen dieser Punkt erreicht ist“, erklärt Prof. Ulf Meißner vom Jülicher Institut für Kernphysik und dem Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn. Grund: Im Kern wirken unterschiedliche Kräfte. Die gängigen Algorithmen können manche davon genau kalkulieren, andere jedoch nur näherungsweise bestimmen.

Anders die Methode, die Meißner und seine Kollegen nun publiziert haben. Diese basiert zunächst auf einer Art „Freiheitsberaubung“. In der Realität können sich die Protonen und Neutronen nämlich an beliebigen Stellen im Raum aufhalten. Für ihre Berechnungen schränkten die Wissenschaftler diese Freiheit jedoch ein: Sie ordneten die Kernteilchen auf den Knotenpunkten eines dreidimensionalen Gitters an und erlaubten ihnen damit nur bestimmte, streng definierte Positionen. Für eine derartige Gitterkonfiguration lässt sich relativ einfach die Bindungsenergie zwischen den Teilchen bestimmen.

Im nächsten Schritt durften die Kernteilchen die Plätze tauschen. Dadurch entstand eine neue Gitterkonfiguration. Wenn diese energetisch günstiger war als die erste, diente sie als Basis für einen erneuten Platztausch. "Diesen Schritt haben wir millionenfach wiederholt", erklärt Meißner. "Wir näherten uns dadurch immer mehr der Kern-Konfiguration, die energetisch optimal ist. Und auf dieser Grundlage konnten wir dann berechnen, ob der Kern mit der vorgegebenen Anzahl von Protonen und Neutronen stabil ist oder nicht."

Experten sprechen auch von einem Monte-Carlo-Verfahren. Es liefert zwar exakte Ergebnisse zu den Bindungsverhältnissen im Atomkern. Aus der Zuordnung der Kernteilchen zu bestimmten Positionen ergeben sich aber auch Nachteile. So ist es im Normalfall nicht möglich, die genaue Dichteverteilung des Kerns zu berechnen. Die Forscher modifizierten das Verfahren aber so, dass auch das möglich ist.

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