Medikamente ohne Nebenwirkungen
Pharmaforschung ist langwierig und teuer. Es dauert 12 bis 15 Jahre, um Medikamente zu entwickeln. Nur zehn Prozent der erforschten Substanzen kommen als neuer Wirkstoff auf den Markt. Die anderen 90 Prozent werden nicht weiterentwickelt, weil sie zum Beispiel erhebliche Nebenwirkungen haben. Um möglichst frühzeitig abschätzen zu können, welche Wirkung und Toxizität ein neuer Wirkstoff hat, setzten Forscher des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM die Gen- und Proteinexpressionsanalyse ein. Damit prüfen sie, wie die Substanz die Genaktivität verändert und können so Rückschlüsse auf mögliche Nebenwirkungen ziehen.
Wie funktioniert das? Die Wissenschaftler untersuchen zunächst bereits bekannte toxische Substanzen - wie zum Beispiel Chloroform oder Arzneistoffe, die etwa Leber-, Herz-, oder Nierenschäden verursachen. Diese Wirkstoffe werden Leber-, Herz-, Lungen- und Nierenzellen zugegeben. Danach prüfen die Forscher, welche Gene in den Zellen abgelesen und Proteine umgesetzt werden. Ein Vergleich mit nicht behandelten Zellen zeigt, wie die Stoffe die Aktivität der Gene verändern und so Krankheiten auslösen.
Die jeweiligen Genexpressionsprofile werden in einer Datenbank gespeichert. »Zeigt ein neu erforschter Wirkstoff ein ähnliches Profil wie zum Beispiel ein Medikament, das Leberschäden verursacht, hat diese Substanz vermutlich die gleiche Nebenwirkung«, erklärt Prof. Dr. Jürgen Borlak den Ansatz der Forscher. Bei der Medikamentenentwicklung können so frühzeitig problembelastete Wirkstoffe ausgeschlossen werden. Das spart Kosten und erhöht die Arzneimittelsicherheit.
Die Forscher ermitteln vor allem die Genexpressionsprofile von bekannten Medikamenten. »Mit den gewonnenen Daten ist es möglich, Vorhersagen über die Wirksamkeit von Substanzen zu treffen, die sich noch in der Entwicklung befinden«, betont Borlak, der den Bereich Pharmaforschung und medizinische Biotechnologie am ITEM leitet. Insgesamt werden die Forscher 150 Arzneistoffe sowie bekannte, schwerwiegende Toxine untersuchen und deren Profile in einer Datenbank speichern.
Mit der Genexpressionsanalyse rückt auch die Entwicklung maßgeschneiderter Medikamente in greifbare Nähe. Jeder Mensch reagiert spezifisch auf Arzneien. Der eine verträgt ein Schmerzmittel ohne Probleme. Ein anderer bekommt von der gleichen Arznei Magenschmerzen. Der Grund sind winzige Differenzen im Erbgut. Diese bewirken, dass Medikamente unterschiedlich verwertet werden. Die Forscher wollen nun herausfinden, wie der einzelne Mensch Arzneistoffe verarbeitet, welche Substanzen helfen oder schaden. Mithilfe dieser Daten können die Medikamente dann auf Patienten mit einem bestimmten Genprofil zugeschnitten werden.
Die Genexpressionanalyse von Arzneimitteln stellen die Forscher auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 3, Stand F 24 vor. Dort präsentieren der Fraunhofer-Verbund Life Sciences, die Fraunhofer-Allianz Proteinchips, Fraunhofer BIOMIP, das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM und die Fraunhofer-Patentstelle für die Deutsche Forschung PST unter dem Motto »Know-how für ein gesundes Leben« neue Lösungen für Molekulare Biotechnologie, Bioanalytik und Diagnostik, Wirkstoffscreening und Therapie sowie Tissue Engineering.
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