Designter Antitumor-Wirkstoff mit viel versprechendem pharmakologischem Profil

16.10.2003

Die heutigen Methoden des "High Throughput Screening" ermöglichen die Suche nach neuen Wirkstoffen in riesigen - mitunter aber recht willkürlich zusammengestellten - Substanzbibliotheken. Auf Klasse statt Masse setzt dagegen ein interdisziplinäres Team am Sloan-Kettering Institute for Cancer Research in New York. Ausgehend von einem pharmakologisch wirksamen Naturstoff "überarbeiten" die Wissenschaftler um den Chemiker Samuel J. Danishefsky und den Pharmakologen Ting-Chao Chou das Molekül ganz gezielt, um ihm so Schritt für Schritt ein verbessertes pharmakologisches Profil zu verpassen. In einer "Totalsynthese" werden die neu designten Moleküle dann aus möglichst einfachen Bausteinen zusammen gesetzt. Dass dieser Weg des so genannten "chemischen Editierens" sehr erfolgreich sein kann, beweist die jüngste Entwicklung des Teams: Ein Epothilon mit ungewöhnlich viel versprechender Antitumor-Aktivität. Die aus Mikroorganismen stammenden Epothilone zeigen einen ähnlichen Wirkmechanismus wie die aus der Eibe gewonnenen Taxoide (z.B. Taxol®), die als Cytostatika eingesetzt werden: Sie stabilisieren die Mikrotubuli der Zelle und blockieren sie so in einer bestimmten Phase der Zellteilung, was zum Zelltod führt.

Das Grundgerüst der Epothilone besteht aus einer fünfzehngliedrigen Kohlenstoff-Kette, die über eine (sauerstoffhaltige) Lacton-Bindung zum Ring geschlossen ist. Kohlenstoffatom Nr. 12 und 13 sind über ein Sauerstoffatom verbrückt. Diese Brücke scheint für einen guten Teil der nicht tumorspezifischen Cytotoxizität - potenzieller Auslöser von Nebenwirkungen eines späteren Medikaments - verantwortlich zu sein. Die Chemiker entfernten die Brücke und ersetzten sie durch eine Doppelbindung zwischen den beiden Kohlenstoffatomen. Durch diesen Eingriff ging allerdings auch ein Teil der Wirksamkeit gegenüber Tumorzellen verloren. Diesen Verlust konnten die Forscher teilweise wieder wettmachen, indem sie eine weitere Doppelbindung zwischen Kohlenstoffatom Nr. 9 und 10 einführten. Positiver Nebeneffekt: Die Doppelbindung stabilisiert den Wirkstoff deutlich gegen Abbau im Plasma. Die Forscher waren aber immer noch nicht ganz zufrieden und ersetzten die drei Wasserstoffatome einer Methylgruppe (CH3) gegen drei Fluoratome. Dieser dritte Eingriff in das Molekül sorgt nicht nur für eine weitere Stabilisierung, sondern lässt den Wirkstoff offenbar auch leichter in die Tumorzellen eindringen. Die so editierten Epothilone bringen in Mäuse transplantierte menschliche Tumoren dauerhaft zum Verschwinden. "Natürlich ist der Weg bis zur klinischen Anwendung noch weit," so Chou und Danishefsky, "aber unsere Ergebnisse sehen sehr spannend aus." Das Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, Kosan Biosciences und Hoffman LaRoche entwickeln die Epothilone der zweiten Generation nun gemeinsam weiter.

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