Megamoleküle durch Sonnenlicht

Aerosole überraschen die Foschung

19.03.2004

Ein Team des Paul Scherrer Instituts (PSI) und der ETH Zürich erforscht, wie sich Aerosolpartikel - also Feinstaub - aus gasförmigen Stoffen bilden. Dafür benutzen die Forschenden die kürzlich am PSI aufgebaute Smogkammer sowie eine Vielzahl analytischer Methoden, einschliesslich der Laser-Massenspektrometrie der ETH Zürich für die chemische Charakterisierung. Die Untersuchungen zeigten, dass Folgereaktionen im gebildeten Aerosol zu neuen Substanzen führen, die wesentlich weniger flüchtig sind als die Ausgangsstoffe und so den Anteil der Aerosolpartikel erheblich erhöhen. Das spektakuläre Resultat liegt quer zu bisherigen Modellen und ist in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" veröffentlicht.

Wenn die Atmosphäre einstaubt

Wo der Mensch Öl, Gas, Kohle oder Holz verbrennt, gelangen täglich weltweit Millionen Tonnen kleinste, unsichtbare Teilchen in die Atmosphäre. Solche so genannten Aerosole sind kleiner als ein Tausendstel-Millimeter und schweben in fester oder flüssiger Form in der Luft. Epidemiologische Studien belegen, dass Aerosolpartikel gesundheitliche Auswirkungen haben. Sie dringen tief in die Lungen ein und sind teils Krebs erregend sowie mitverantwortlich für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Auch beeinflussen sie den Strahlungshaushalt der Erde - unter anderem dadurch, dass sie Sonnenlicht zurück ins Weltall streuen. Die Aerosole haben damit eine abkühlende Wirkung und wirken dem Effekt der Treibhausgase entgegen. Um diese Folgen besser untersuchen und auch quantifizieren zu können, müssten aber die chemischen, physikalischen und optischen Eigenschaften der Aerosole und ihrer Bestandteile genauer bekannt sein.

Sommertag in Smogkammer simuliert

Bisher ging man davon aus, dass bei hohen Temperaturen die Aerosole am Nachmittag verdunsten und sich demzufolge die Masse der Partikel verringert. Ein Forschungsteam des PSI und der ETH Zürich hat Sommertage in der neuen Smogkammer am PSI simuliert und kommt zu einem völlig entgegengesetzten Befund. Je länger die Sonneneinstrahlung dauert, desto mehr nehmen diese an Masse und Volumen zu. Ein wesentlicher Anteil der Aerosolpartikel kommt nicht direkt aus Auspuff oder Kamin, sondern wird erst unter Sonneneinwirkung in der Atmosphäre gebildet. In der Smogkammer stellte man in einem durchsichtigen 27-Kubikmeter-Teflonsack vorerst einen repräsentativen Mix von Abgasstoff (Trimethylbenzol), Stickoxid und Wasserdampf bereit. Anschliessend wurde mit vier starken Sonnensimulatoren (total 16 kW Lichtleistung) ein Sommertag simuliert. Innerhalb einer Stunde bildeten sich aufgrund der ablaufenden Atmosphärenchemie aus den Gasen Aerosolpartikel.

Moleküle mit sehr hohem Gewicht entstehen

Chemische Untersuchungen an der ETH Zürich mittels Laser-Massenspektrometrie zeigten, dass im Lauf der bis zu 24-stündigen Experimente sich Moleküle mit sehr hohem Molekulargewicht bildeten (bis zu 1000 atomaren Masseneinheiten). Die Entstehung solcher Megamoleküle weist auf Polymerisationsreaktionen hin. Weiter untersuchte man die Flüchtigkeit der gebildeten Aerosolpartikel. Dabei war deutlich zu erkennen, wie diese bei längerer Einstrahlzeit abnimmt. Die Aerosolteilchen werden stabiler, indem sie bei Erwärmung weniger stark verdampfen. Die spektakulären Ergebnisse, die in der aktuellen Ausgabe von "Science" publiziert sind, ergeben eine einfache Erklärung von bisher rätselhaften Resultaten aus Felduntersuchungen. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass die neu entdeckten Polymere bis über 50 Prozent der gesamten Aerosolmasse ausmachen, was ein wesentlicher Schritt hin zu einer vollständigen Charakterisierung der Aerosole darstellt. Die Tatsache, dass damit ein grosser Anteil der Aerosolmasse identifiziert werden konnte, stellt einen wichtigen Fortschritt dar im Hinblick auf die noch wenig erforschten gesundheitlichen und klimatologischen Auswirkungen der Aerosole.

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