Eisenkomplex mit Killerinstinkt

Eisenhaltige Analoga von Nucleosiden töten Tumorzellen - Metallorganische Verbindungen als neue Pharmaka-Klasse?

23.03.2004

Deutschen Forscher ist es gelungen, eine neuartige Klasse von Cytostatika zu entwickeln, die Krebszellen in den programmierten Zelltod (Apoptose) treiben: eisenhaltige Nuclosidanaloga. Mit dieser Entdeckung schlägt das Team um Hans-Günther Schmalz (Universität zu Köln), Thomas Wieder (Universität Tübingen) und Aram Prokop (Charité, Berlin) ein ganz neues Kapitel der biometallorganischen Chemie auf.

Über Phosphatgruppen verbrückte Nucleoside sind die Bausteine, aus denen unsere Nucleinsäuren (DNA und RNA), Träger der Erbinformation, bestehen. Daneben erfüllen Nucleoside, meist ebenfalls mit einem oder mehreren Phosphaten verknüpft, noch andere wichtige Aufgaben, etwa als Energielieferant (Adenosintriphosphat, ATP) oder als Botenstoff zur Signalweiterleitung innerhalb der Zelle. Analoga der Nucleoside, wie die Nuclosid-Antibiotika Carbovir und Tubercidin, sind etablierte Pharmaka gegen Viren, Bakterien und Pilze sowie Cytostatika. Analoga von natürlichen Metaboliten kommen als Wirkstoffe in Frage, weil sie ihren "Vorbildern" strukturell so ähneln, dass sie in Konkurrenz zu diesen treten und so physiologische Prozesse hemmen oder fehlleiten.

Nucloside bestehen aus einer der Nucleobasen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin (DNA) bzw. Uracil (RNA), die an eine Ribose-Einheit gebunden ist. Ribose ist ein ringförmiger Zucker aus fünf Kohlenstoffatomen. Aus früheren Arbeiten wussten die Chemiker der Forschungsgruppe, dass sich bestimmte Ribose-Analoga hochselektiv an der richtigen Stelle mit einer Nucleobase koppeln lassen, wenn das Ribose-Analogon in einen Eisen-Carbonylkomplex eingebunden ist, der ein Zwischenprodukt auf dem Reaktionsweg stabilisiert. Ein Carbonylkomplex ist eine Verbindung, deren zentrales Metallatom Kohlenmonoxid-Moleküle (CO) als Liganden um sich schart. Nach dieser Methode stellten die Forscher eine ganze Reihe verschiedener Nucleosid-Analoga her. Aber anstatt den Komplex nach der Reaktion wieder zu entfernen, entschieden sie sich, das pharmakologische Potenzial der eisenhaltigen Nucleosid-Analoga zu testen. Und siehe da: Einige der komplexgebundenen Nucleosid-Analoga erwiesen sich als ausgesprochen cytotoxisch gegenüber Tumorzellen sowie entarteten Lymphoblasten, wie sie bei der akuten Leukämie von Kindern auftreten. Besonders wirksam waren Verbindungen der Nucleobase Cytosin. Eine dekomplexierte Variante erwies sich dagegen als erheblich weniger aktiv. "Das Metallcarbonylfragment hat offenbar eine große Bedeutung für die biologische Wirksamkeit," sagt Schmalz, "welche das ist, erforschen wir derzeit. Daneben arbeiten wir an Verbindungen mit verbessertem pharmakologischen Profil."

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