Kraftmikroskopie bildet atomare Details mit Abständen von weniger als hundert Picometern ab

11.06.2004

Wie das US amerikanische Wissenschaftsmagazin Science berichtet, hat ein Forscher-Team der Universität Augsburg das räumliche Auflösungsvermögen der Mikroskopie weiter verbessert (S. Hembacher, F.J. Giessibl, J. Mannhart, "Force microscopy with light atom probes", Science express online-Ausgabe vom 10. Juni 2004). Die Wissenschaftler bildeten ein einzelnes Wolframatom mit einem Rasterkraftmikroskop ab und fanden innerhalb des Atoms vier Bereiche erhöhter Elektronendichte die in den Bildern als Elektronenwolken erscheinen (Abbildung 1). Bei einer Breite des Bildes von 5 cm entspricht die Vergrößerung dem zweihundertmillionenfachen. Das Auflösungsvermögen des Bildes beträgt 77 pm, ein bislang unerreichter Wert. Die abgebildete Elektronenstruktur hat ihren Ursprung in den quantenmechanischen Eigenheiten des kristallinen Wolframs. Die Kristallstruktur von Wolfram ist kubisch raumzentriert, jedes Wolframatom ist also von acht nächsten Nachbarn umgeben und bildet zu diesen Bindungen mit lokal erhöhten Elektronendichten aus. Von diesen acht Elektronenwolken können vier Wolken an der Kristalloberfläche beobachtet werden.

Die Rolle von Sonde und Probe einfach umgedreht

In der Rasterkraftmikroskopie werden die zu untersuchenden Proben mit einer sehr feinen Spitze mechanisch abgetastet. Aus der räumlichen Variation der Kräfte zwischen Probe und Spitze wird das Mikroskopiebild gewonnen. Um die bestmögliche Auflösung zu erhalten, war es für die Forscher wichtig, als atomare Sonde ein sehr kleines, leichtes Atom zu verwenden. Kohlenstoffatome in Graphitkristallen sind hierfür hervorragende Kandidataten. Da Graphitkristalle eben sind, drehten die Wissenschaftler die Rolle von Sonde und Probe einfach um: das aus einer scharfen Wolframspitze herausragende letzte Atom wird von einem leichten Kohlenstoffatom des Graphits abgebildet. Dieser Fortschritt wurde durch mehrere Innovationen ermöglicht:

Auswertung der Oberschwingungen

Die zwischen der Spitze und der Probe wirkende Kraft wurde bislang entweder durch die statische Durchbiegung eines die Spitze tragenden Federbalkens oder durch die Frequenzänderung eines schwingenden Federbalkens (in Abbildung 2 oben links) gemessen. Eigentlich interessiert man sich aber nicht für die gesamte zwischen Spitze und Probe wirkende Kraft, sondern nur für den Anteil zwischen dem Atom, das aus der Spitze am weitesten hervorsteht (Frontatom) und dem ihm nächsten Probenatom. Ein zentrales Problem der Kraftmikroskopie ist das Herauslösen des Frontatom-Beitrags. Anstatt einer statischen Durchbiegung oder einer Frequenzänderung werden in diesem Experiment Oberschwingungen des Federbalkens ausgewertet, die durch die Wechselwirkung zwischen Spitze und Probe entstehen. Diese Oberschwingungen reagieren auf die kurzreichweitigen inneratomaren Kräfte wesentlich empfindlicher als die statische Durchbiegung des Balkens oder seine Frequenzänderung.

5 Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt im Ultrahochvakuum

Das Experiment wurde in einem neuartigen Mikroskop (Abbildung 3) durchgeführt, das auf eine Temperatur von nur 5 Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt abgekühlt ist. Außerdem arbeitet das Instrument im Ultrahochvakuum mit einem Druck von etwa 1x10^-13 einer Atmosphäre. Das Mikroskop ist auf ein 30 t schweres Fundament gebaut und von externen Störungen wie etwa Schall und elektromagnetischen Störfeldern durch eine metallische Schallschutzkammer isoliert. Der Aufbau dieses Mikroskops am Institut für Physik der Universität Augsburg wurde durch ein langfristiges gemeinsames Forschungsprojekt (EKM) des Freistaats Bayern und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit einer Projektbetreuung durch das VDI gefördert.

Auflösung gegenüber dem Jahr 2000 verdreifacht

Bereits im Jahr 2000 fand die Forschergruppe Strukturen innerhalb einzelner Atome - siehe Giessibl, Hembacher, Bielefeldt, Mannhart, "Subatomic Features on the Silicon (111)-(7x7) Surface Observed by Atomic Force Microscopy", Science 289, 422, 2000. Die damaligen Ergebnisse wurden auf Silizium erzielt, einem Material das ausgeprägte kovalente Bindungen zeigt, mit einem großen Abstand der beiden Ladungskeulen von etwa 230 pm. Im neuen Experiment ist die räumliche Auflösung verdreifacht, zudem wurde der kovalente Bindungscharakter erstmals in einem Metall abgebildet.

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