Experten sehen Stammzellenforschung in Gefahr

27.12.2005

(dpa) Nach dem Fälschungsskandal um den südkoreanischen Klonforscher Hwang Woo Suk fürchten Wissenschaftler und Politiker einen Rückschlag für die gesamte Stammzellenforschung. «Das Forschungsfeld ist um Jahre zurückgeworfen worden», sagte der bekannte deutsche Stammzellforscher Hans Schöler der «Süddeutschen Zeitung» (SZ) vom Samstag. Kritik wurde auch am Verhalten des renommierten US-Fachjournals «Science» laut, das Hwangs Arbeit im Mai veröffentlicht hatte. Der Südkoreaner hatte darin behauptet, menschliche Embryonen geklont und daraus maßgeschneiderte Stammzellen für elf schwer kranke Patienten gewonnen zu haben.

Nun stellte eine Untersuchungskommission seiner Universität fest, dass neun der Stammzellkulturen vorsätzlich gefälscht worden sind. Nur zwei Stammzelllinien hätten zum Stichtag 15. März existiert, als Hwang seine Arbeit bei «Science» einreichte. Hwang entschuldigte sich dafür und legte am Freitag sein Professorenamt nieder. Er blieb indes dabei, tatsächlich Stammzellen von Patienten geschaffen zu haben.

«Ich weiß jetzt nicht mehr, was ich glauben soll», sagte sein Kollege Miodrag Stojkovic von der britischen Universität Newcastle der SZ. Der aus Serbien stammende Mediziner hatte als erster Forscher in Europa menschliche Embryonen geklont, die aber nur wenige Tage überlebten. «Hwangs Fälschungen sind eine große Schande für uns alle, vor allem weil andere Leute auf dem Gebiet schwer gearbeitet haben.» Ziel ist es, eines Tages mit dem so genannten therapeutischen Klonen Schwerkranke heilen zu können. In Deutschland ist das Verfahren zur Gewinnung embryonaler Stammzellen verboten.

Die Wissenschaftler, die in dem ethisch umstrittenen Bereich der Stammzellforschung arbeiten, sahen sich Schöler zufolge nach der Veröffentlichung Hwangs im Mai im Aufwind. Jetzt würden sich die Kritiker bestätigt sehen, beklagte der Direktor des Max-Planck- Instituts für molekulare Biomedizin in Münster.

Ähnlich beurteilt der forschungspolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, die Situation. Er warnte in der «Berliner Zeitung» davor, nun diese Forschung nicht weiter zu fördern: «Es muss weiter geforscht werden», sagte Tauss. «Es ist betrüblich, dass die Stammzellenforschung in den Geruch von Scharlatanerie kommt.» Für die Unions-Politikerin Katherina Reiche hat «ein einzelner Wissenschaftler die gesamte Branche in Verruf gebracht».

Mitverantwortlich für den Fälschungsskandal ist nach Ansicht des früheren Vorsitzenden des Nationalen Ethikrates, Spiros Simitis, der hohe Wettbewerbsdruck in der Forschung. «Oft handelt es sich um Entwicklungen, die patentiert werden. Durch die wirtschaftliche Verwendbarkeit steigt der Druck noch, und die Forscher kennen die Erwartungen, die an sie gerichtet sind.» Hwang werde daher sicher kein Einzelfall bleiben.

Nach Ansicht des Vorsitzenden der zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung, Ludwig Siep, wird diese Forschung generell «viel zu sehr sensationalisiert». Dabei handele es sich um eine langwierige Mosaikarbeit, die in Ruhe erfolgen sollte. Es sei schade, «wenn einer so vorschnell in die Offensive geht wie Hwang». Doch sei offenbar der Erfolgsdruck, auch der von vielen Wissenschaftlern selbst geschaffene, zu groß.

Voreiliges Handeln werfen Kritiker in den USA auch dem US- Fachjournal «Science» vor. Die Ergebnisse Hwangs seien nicht sorgfältig genug geprüft worden. Das vom weltgrößten Forscherverband AAAS herausgegebene Wissenschaftsblatt hatte die als bahnbrechend eingestufte Veröffentlichung weniger als zwei Monate von Experten begutachten und absegnen lassen. Üblich sind dafür vier Monate.

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