Chancen und Risiken für Unternehmen und Investoren der Pharma-Industrie in Japan
PricewaterhouseCoopers-Studie "Japan - Prescription for Growth"
Im sechsten Teil seiner Branchenserie Prescription for Growth zeigt PricewaterhouseCoopers Chancen und Risiken für Unternehmen und Investoren der Pharma-Industrie in Japan auf.
Marktöffnung bringt Wachstumsschub
Der japanische Pharmamarkt ist hinter dem US amerikanischen der zweitgrößte Pharmamarkt der Welt. Dennoch war das Interesse ausländischer Hersteller an Investitionen in Japan lange Zeit nur schwach ausgeprägt. Die Liberalisierung der Arzneimittelgesetzgebung hat dies ab 2003 geändert: Pharmahersteller dürfen mittlerweile auch Medikamente im Land vermarkten, die nicht in Japan hergestellt wurden. Außerdem sollen sich die Zulassungsverfahren für neue Medikamente durch die Etablierung einer zentralen Aufsichtsbehörde, der "Pharmaceutical and Medical Devices Agency" (PMDA) deutlich beschleunigen.
Der Pharmamarkt hat von diesen Liberalisierungsschritten offensichtlich profitiert: Im Jahr 2005 stieg das Umsatzvolumen um fast sieben Prozent auf über 60 Milliarden US-Dollar und damit so stark wie seit 1991 nicht mehr. Der Marktanteil internationaler Pharmakonzerne liegt mittlerweile bei 34 Prozent. Das Wachstum dürfte sich nach dem Liberalisierungsschub allerdings wieder abschwächen, so dass bis 2010 mit einem Anstieg des Marktvolumens auf rund 70,8 Milliarden US-Dollar zu rechnen ist.
Japans Bevölkerung: Reich und alt
Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt bei rund 30.400 US-Dollar, und die japanische Wirtschaft ist nach der langen Krise der 90er Jahre wieder auf Wachstumskurs. Mit einer Wachstumsrate von 2,6 Prozent lag Japan im Jahr 2005 deutlich vor der Eurozone, und auch für 2006 und 2007 prognostiziert der Internationale Währungsfonds einen leichten Wachstumsvorsprung gegenüber Europa. Auf der anderen Seite trifft der demographische Wandel in den kommenden Jahrzehnten Japan
stärker als viele andere Industriegesellschaften. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wird die Bevölkerung von derzeit 128 Millionen Menschen bis 2050 auf rund 112 Millionen schrumpfen, während das Durchschnittsalter weiter ansteigt. Im Jahr 2005 war knapp jeder fünfte Japaner älter als 65 Jahre, 2050 dürfte gut jeder dritte zu dieser Altersgruppe zählen. Dabei liegt die durchschnittliche Lebenserwartung mit 82 Jahren in Japan bereits heute höher als in jedem anderen Land der Welt.
Das hohe Durchschnittsalter der japanischen Gesellschaft spiegelt sich auch im Gesundheitssystem wider. Im Jahr 2004 entfielen über 40 Prozent der nationalen Gesundheitsausgaben auf die Behandlung älterer Menschen, und die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Krankenhaus lag mit fast 42 Tagen pro Behandlungsfall annähernd vier mal so hoch wie im OECD-Durchschnitt. Auf Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen entfielen im Jahr 2005 rund 21 Prozent des gesamten Pharmaumsatzes. Ebenfalls hoch ist der Umsatzanteil von Präparaten gegen Tumor- (8,7 Prozent) sowie Knochen und Muskelerkrankungen (6,4 Prozent).
Sparzwänge bieten Chancen für Generika-Hersteller
Das japanische Gesundheitssystem ist zweifellos eines der besten der Welt, doch drohen die steigenden Kosten, wie auch in anderen Industrieländern, das System zu sprengen. Daher setzt das japanische Gesundheitsministerium im Pharmabereich auf eine Doppelstrategie: Einerseits soll die Erforschung neuer, effektiverer Medikamente durch Steuererleichterungen gefördert werden, andererseits sollen verordnete Preissenkungen und die stärkere Verschreibung von Generika für Kostensenkungen sorgen. Allein 2005 kürzte das Ministerium die durchschnittliche Kostenerstattung für Medikamente um 6,7 Prozent. Vergleichsweise günstige Generika spielen auf dem japanischen Pharmamarkt bislang eine untergeordnete Rolle.
Nach Berechnungen des Gesundheitsministeriums lag ihr Umsatzanteil gemessen an den gesamten Medikamentenausgaben in Japan im Jahr 2005 nur bei 16,4 Prozent. Zum Vergleich: In den USA entfallen 53 Prozent und in Deutschland 41 Prozent des Gesamtumsatzes auf Generika. Noch verschreiben japanische Ärzte deutlich häufiger Markenprodukte, auch wenn billigere Generika erhältlich sind. Allerdings soll sich dies nach dem Willen der Regierung ändern. Internationale Generika-Hersteller wie Ranbaxy Laboratories rechnen bereits mit einer deutlichen Verbesserung ihrer Marktchancen. Der indische Konzern stockte Ende 2005 seine Beteiligung an der japanischen Nihon Pharmaceutical Industry auf.
Ausländische Konzerne gewinnen Marktanteile
Mittlerweile entfällt gut ein Drittel des Pharmaumsatzes in Japan auf ausländische Hersteller. Mit Pfizer, Roche und Novartis sind drei internationale Konzerne unter den Top-Ten der japanischen Pharmaindustrie zu finden. Wie ernst die ausländischen Hersteller den Markt nehmen, zeigt auch der Marketingaufwand. So warben die fünf größten ausländischen Pharmakonzerne im Jahr 2004 mit über 9.000 Vertriebskräften um Kunden in Japan, die inländische Konkurrenz kam lediglich auf 6.500.
Investoren profitieren von verbessertem Forschungsklima
Die japanische Pharmaindustrie gerät auf ihrem Heimatmarkt zunehmend unter Zugzwang. Immer mehr ausländische Konzerne vermarkten ihre Produkte in Japan selbst, statt sie in Lizenz an japanische Unternehmen zu vergeben. Die Regierung hat auf diesen Umstand reagiert, in dem sie zusätzliche Steuererleichterungen für Forschungs- und Entwicklungsausgaben gewährt. Gleichzeitig können sich japanische Pharmahersteller auf eine wachsende Biotech-Industrie stützen, auch wenn der Sektor im Vergleich zu dem der USA oder Europas noch immer unterentwickelt ist.
Ausländische Investoren können von der Verbesserung des Forschungsklimas in Japan nur profitieren. Für ein Engagement in Japan sprechen zudem das gut ausgebaute Vertriebsnetz und die allgemein sicheren Investitionsbedingungen, auch wenn der Patentschutz derzeit noch schwächer ausgeprägt ist als in anderen Industrienationen. Beispielsweise vergehen zwischen der Eröffnung eines Patentverletzungsverfahrens und seiner Beilegung in Japan bis zu zwei Jahre, in den USA dauert das Verfahren nur halb so lange. Andererseits soll die Zulassung neuer Medikamente in Japan deutlich beschleunigt werden. So hat sich die PMDA zum Ziel gesetzt, bis 2009 das Zulassungsverfahren für 80 Prozent aller neuen Medikamente innerhalb eines Jahres abzuschließen. Damit wäre die Behörde genauso schnell wie die zuständigen Stellen in den USA und der EU. Derzeit vergehen in Japan im Durchschnitt sieben Monate mehr, bis ein neues Medikament vermarktet werden darf. Wertvolle Zeit, die den Pharmaherstellern bei der Vermarktung vor Ablauf des Patentschutzes verloren geht.
Nischenstrategie für den Markteintritt
Der japanische Pharmamarkt wird dank der Marktliberalisierungen, der beschleunigten Zulassungsverfahren und der staatlichen Förderung für innovative Medikamente immer attraktiver. Für ausländische Pharmakonzerne, die bereits in Japan aktiv sind, bieten sich gute organische Wachstumsperspektiven. "Doch auch Neueinsteiger haben Chancen, vor allem, wenn sie auf Zukäufe in spezialisierten Segmenten setzen", kommentiert Volker Booten, in Deutschland verantwortlich für den Bereich Chemicals & Pharma bei PricewaterhouseCoopers. So plane eine Reihe japanischer Chemie- beziehungsweise Nahrungsmittelkonzerne den Verkauf ihrer Pharmasparten, um sich auf das Kerngeschäft konzentrieren zu können. "Ausländische Investoren können sich durch Zukäufe in der Nische gute Startchancen auf dem japanischen Markt verschaffen", so Booten. Jedoch sollte ich jedes Unternehmen beim Engagement im japanischen Markt der politischen und rechtlichen Restriktionen sowie den kulturellen Gegebenheiten bewusst sein.