Chemie-Aufschwung erreicht Arbeitsmarkt
Statistisches Bundesamt
Aufwärtsentwicklung: Breite Basis
Der Gesamtumsatz der chemischen Industrie hat im ersten Halbjahr einen Wert von 84,3 Milliarden Euro erreicht und damit sein Vorjahresniveau um 8,6 Prozent übertroffen. Bemerkenswert ist, dass neben dem Auslandsumsatz (+9,0 Prozent) nun auch der Inlandsumsatz mit 8,1 Prozent an Fahrt gewonnen hat. Dies reflektiert nicht zuletzt die Tatsache, dass der Aufschwung generell an Breite gewonnen hat. Davon profitiert die chemische Industrie als Zulieferer vieler anderer Industriezweige genauso wie durch das Wiedererstarken des privaten Konsums.
Produktionsprozesse optimiert
Viel spricht dafür, dass die wirtschaftliche Erholung in der chemischen Industrie neben der konjunkturellen Komponente auch eine strukturelle Dimension hat: So haben die Unternehmen ihre Produktionspaletten erneuert und erweitert. Sie haben gleichzeitig Produktionsprozesse rationalisiert und nicht zum Kerngeschäft zählende Unternehmensaktivitäten ausgegliedert. Auch die moderate Lohnpolitik in der Chemie dürfte hier ihren stabilisierenden Beitrag geleistet haben. Immerhin hat diese Entgeltentwicklung in Verbindung mit einem um gut 5 Prozent gestiegenen Produktionsindex dazu geführt, dass die Lohnstückkosten, also die Lohnkosten je Produkteinheit, in der chemischen Industrie in den ersten sechs Monaten dieses Jahres im Schnitt um 3,6 Prozent gesunken sind. Spiegelbildlich dazu ist die Produktivität, also das Produktionsergebnis je Beschäftigten, um fast 5 Prozent angestiegen.
Risikofaktoren
Die Preisfrage ist, ob diese Aufwärtsentwicklung anhält und in der Form eines "selbsttragenden Aufschwungs" eine Fortsetzung erfährt. Die Prognosen der meisten Wirtschaftsforschungsinstitute für die Weltwirtschaft und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland für das laufende und das nächste Jahr stimmen hier zwar zuversichtlich. Dennoch ist Vorsicht geboten:
Das Kostenniveau ist nach wie vor hoch.
Insbesondere beim Öl und den Derivaten kann angesichts der weltweiten Angebots- und Nachfragesituation das Preisniveau aus dem Ruder laufen.
Zinserhöhungen der EZB sind nicht auszuschließen.
Insbesondere ist fraglich, inwieweit sich die Schwierigkeiten auf den Kreditmärkten - ausgelöst durch die US-amerikanische Immobilienkrise - auf die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen und die deutsche Chemie im Besonderen auswirken.
Realwirtschaftliche Bremsspuren sind derzeit zwar noch nicht auszumachen. Viel wird aber davon abhängen, welche "Leichen" noch im "Keller" des Bankensystems liegen und wie panisch die Reaktionen der Finanzmärkte ausfallen.
Keine Wachstumsgarantie
Zu konjunkturellem Pessimismus besteht für die chemische Industrie derzeit allerdings kein Anlass. Die aktuelle Beurteilung der Geschäftslage durch die Chemieunternehmen ist ausweislich des ifo-Konjunkturtests durchweg positiv. Es wäre jedoch naiv, die aktuelle konjunkturelle Dynamik einfach in die Zukunft fortzuschreiben. Dies gilt für eine zyklische Branche wie die chemische Industrie in besonderer Weise.
Immerhin ist zu beobachten, dass sich die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate - so ebenfalls der ifo-Konjunkturtest - bei den Chemieunternehmen zuletzt wieder etwas eingetrübt haben. Im Ganzen sind die Erwartungen der Chemieunternehmen aber noch deutlich im "grünen Bereich".